Geflüchtete in der Freiburger Landeserstaufnahme (LEA) dürfen weiterhin keinen Besuch empfangen und haben kein Recht auf einen eigenen Zimmerschlüssel. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat eine entsprechende Klage nun abgewiesen. Die Begründung des Urteils steht noch aus.
Werden Grundrechte von Geflüchteten eingeschränkt?
Im Kern ging es in dem Verfahren darum, ob ehemalige Bewohner der LEA noch gegen die Hausordnung klagen dürfen. Sie halten die Verbote, die für Bewohnerinnen und Bewohner der LEA gelten, für unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte. Zum Beispiel: das Besuchsverbot, das Recht, einen eigenen Zimmerschlüssel zu besitzen oder Videoanrufe in der LEA zu machen. Das Regierungspräsidium begründet diese Einschränkungen damit, nur so die Sicherheit der 700 Bewohner der LEA gewährleisten zu können.
In der mündlichen Verhandlung am Verwaltungsgericht ging es auch um die Frage, ob Menschen gegen die Hausordnung klagen dürfen, die nicht mehr in der LEA wohnen: Einer der Kläger in dem Verfahren wurde in der Zwischenzeit abgeschoben, der andere lebt inzwischen in einer anderen Unterkunft. Deshalb sei deren Klage nicht mehr zulässig, entschied das Verwaltungsgericht. Auch wurde diskutiert, ob ein weiterer Kläger, Aktivist von "Aktion Bleiberecht", durch das Besuchsverbot in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt ist, Bewohnerinnen und Bewohner der LEA zu besuchen und ihnen bei verschiedenen Prozessen zu helfen. Auch in diesem Punkt wurde das Anrecht auf Besuche abgewiesen.
Erste Klage gegen die Hausordnung 2020
Bewohner der LEA hatten 2020 zusammen mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und der Aktion Bleiberecht das erste Mal gegen Teile der Hausordnung der Einrichtung geklagt. Klagepunkte waren unter anderem die Zimmerkontrollen, Besuchsverbote oder die Möglichkeit zur politischen Betätigung. Auch ging es damals um die Eingangskontrollen, denen sich die Bewohnerinnen und Bewohner unterziehen müssen.
Ein Normenkontrollantrag hatte teilweise Erfolg
Wegen der Eingangskontrollen gab es bereits 2021 ein Eilverfahren am Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Damals gab das Gericht den Klägern in einem sogenannten Normenkontrollantrag teilweise Recht - unter anderem mit der Begründung, die Zimmer der LEA seien wie Wohnungen im Sinne des Artikel 13, Absatz 1 des Grundgesetzes zu verstehen. Zum Betreten von Wohnungen braucht es in der Regel eine besondere gesetzliche Vorschrift, um die Privatsphäre zu schützen.
Änderung der LEA-Hausordnung in Freiburg 2021
Die Hausordnung der LEA wurde daraufhin vom Regierungspräsidium Freiburg im Dezember 2021 aufgehoben und durch eine neue ersetzt. Die Änderung sah vor, dass die Taschenkontrollen am Eingang freiwillig sein müssen. Außerdem sollten die Kontrollen zur Tages- und Nachtzeit stattfinden dürfen.
Mit der neuen Hausordnung habe sich aber im Grunde nichts für die Bewohner verändert, sagte Ben Bubeck, Sprecher der Freiburger Aktion Bleiberecht, dem SWR. Um Taschen in ihre Zimmer mitzubringen, müssten sich die Bewohner den freiwilligen Eingangskontrollen stellen, andernfalls seien sie gezwungen, ihre Taschen am Eingang zurückzulassen.
Lebensumstände in der LEA Freiburg laut Klägern unverändert
Auch insgesamt habe sich an der Lebenssituation durch neue Hausordnung nicht viel geändert, sagen die Kläger. Bevor ihre Asylanträge entschieden sind, dürfen Geflüchtete nicht arbeiten, sie erhalten stattdessen 100 Euro Taschengeld. In der LEA würden sie in der Regel warten, seien belastet von der Situation, teilweise traumatisiert und frustriert, berichtet Bubeck.
Die Geflüchteten dürften weiterhin ihre Zimmer nicht abschließen, was für Bewohner wie Emmanuel Annor eine Belastung gewesen sei, wie er im Rückblick sagt. "Immer, wenn ich außerhalb der LEA war, konnte jeder mein Zimmer betreten. Ich wusste dann nie, was gerade in meinem Zimmer geschieht", schildert Annor. Inzwischen lebt er in einer anderen Unterkunft.
Kläger wohnen nicht mehr in der LEA
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Mannheimer Urteil 2022 mit der Begründung aufgehoben, dass der Normenkontrollantrag inzwischen unzulässig sei, weil die Kläger und damaligen Bewohner inzwischen nicht mehr in der LEA wohnten. Einer der Kläger ist inzwischen abgeschoben worden, ein anderer ist in einer anderen Unterkunft untergebracht. Auch muss nun entschieden werden, ob die neue Hausordnung inzwischen keine Grundlage für die Klage mehr bietet.
Das Regierungspräsidium betrachtete die Klage damit als unzulässig, weil keine rechtliche Grundlage für die Klagenden mehr bestehe. Die Kläger betonten dagegen, wie schwierig es für frisch angekommene Geflüchtete in der LEA sei, fremde Rechtssysteme zu durchschauen und ihre Rechte einzuklagen.
Haben Geflüchtete in ihrer Zeit in der LEA einen Rechtsschutz?
Es ging also auch um die Frage, wer gegen die Hausordnung der LEA klagen darf. Da die Menschen in der Regel nur kurz, also maximal 18 Monate in der LEA leben, reicht die Aufenthaltsdauer meist nicht für die langwierigen gerichtlichen Verfahren. Daher hatten es die Kläger mit einem Eilantrag versucht. Das Bundesverwaltungsgericht hielt die Einschränkungen durch die Hausordnung aber nicht für offensichtlich rechtswidrig und verwies zurück an ein Hauptsacheverfahren. Weil sich Betroffene nach gewisser Zeit aber nicht mehr in der LEA befinden, erledigt sich der Klagegrund in der langen Dauer der Hauptverfahren von selbst. Wie Anwältin Sarah Lincoln von der GFF sagte, bedeute das im Umkehrschluss, dass sich Menschen in der LEA nicht gegen potentielle Grundrechtseingriffe wehren könnten.
Keine offizielle Regelung für Hausordnungen
Im Flüchtlingsaufnahmegesetz Baden-Württembergs ist lediglich geregelt, dass die Befugnisse für Hausordnungen in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen an die zuständigen Behörden (hier das Regierungspräsidium Freiburg) übermittelt werden. Über die konkrete Ausgestaltung einer solchen Hausordnung gibt es keine bundesweite gesetzliche Regelung. Ben Bubeck von der "Aktion Bleiberecht" fordert hier ein parlamentarisches Verfahren für eine bundesweite Regelung - ähnliches gebe es bereits für die Gefängnisse. Das Regierungspräsidium betonte jedoch, dass die Hausordnung in enger Abstimmung mit der Landesregierung erstellt worden sei und damit auch modellhaft für verschiedene Einrichtungen gelte.
Allgemeine Sicherheit vs. individuelle Bedürfnisse
Weiter betonte der Anwalt des Regierungspräsidiums in der mündlichen Verhandlung, dass in der Sache das Allgemeinwohl über individuellen Bedürfnissen stehen müsse. Als Betreiber der LEA sei man verpflichtet, für die Sicherheit von 700 Bewohnerinnen und Bewohner der LEA zu sorgen, die teilweise Schlimmes erlebt haben. Ein Schutz dieser Personen sei deshalb nur im Rahmen der bestehenden Hausordnung inklusive des Besuchsverbotes möglich.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage nun abgewiesen. Das heißt, es wird nicht erneut geprüft, ob das Besuchsverbot einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte der Geflüchteten in der LEA darstellt. Auch Besucher dürfen die Einrichtung weiterhin nur mit Sondergenehmigung betreten. Die Kosten für das Verfahren tragen die Kläger. Ungeklärt bleibt, welcher Rechtsschutz den Bewohnerinnen und Bewohnern der Landeserstaufnahme bei potentiellen Grundrechtseingriffen durch die Hausordnung zur Verfügung steht.