Schüler stürmen am letzten Schultag zu ihren Schulranzen

Ganztagsbetreuung an Grundschulen

Ganztagsbetreuung nur mit Losglück? Kommunen kritisieren unzureichende Fördermittel

Stand
Autor/in
Thomas Hermanns

Für die Ganztagsbetreuung von Grundschulkinder bis 2026 brauchen die Kommunen finanzielle Unterstützung. Doch es fehlt an Mitteln. Wer gefördert wird, das entscheidet das Los.

"Uns wurde tatsächlich mitgeteilt, dass die Finanzierung der notwendigen Gebäude für die Ganztagsbetreuung ausgelost werden soll", empört sich der Emmendinger Oberbürgermeister Stefan Schlatterer. Gemeinsam mit Hannelore Reinbold-Mench, die für den Bürgermeistersprengel im Landkreis Emmendingen spricht, hat er einen offenen Brief an die Kultusministerin Theresa Schopper geschickt. Darin fragen sie ironisch, ob nun "das Land auch eine Gesetzesänderung anstrebt, in dem der Rechtsanspruch für die Ganztagsbetreuung dem Losverfahren unterworfen wird?" Oberbürgermeister Schlatterer geht nicht davon aus, dass die Ganztagsbetreuung bis 2026 gewährleistet werden kann, weder in der Stadt Emmendingen noch in anderen Kommunen.

Ein Thema, das mit einem Rechtsanspruch verbunden ist, dem Losglück zu überlassen, das finde ich schon sehr spannend und bemerkenswert.

Denn schon jetzt stößt die Stadt Emmendingen an seine Kapazitätsgrenzen bei der Ganztagsbetreuung. Zwei der sieben Grundschulen bieten bereits den Ganztag an. Aber schon jetzt können nicht alle Kinder aufgenommen werden. Es fehlt an Personal, aber auch an Räumen. An der Fritz-Böhle Grundschule stehen schon zwei Container, um zusätzlichen Platz zu schaffen. Zwei weitere sollen folgen. Mit dem Rechtsanspruch ab 2026 wird die Nachfrage voraussichtlich deutlich zunehmen. In Emmendingen macht ihnen das Sorgen. "Das wird natürlich zu hohen Frustrationen bei den betroffenen Eltern führen", so Oberbürgermeister Schlatterer. Und das sei Ziel einer falschen Politik des Landes und des Bundes.

Der Finanztopf des Bundes ist zu klein

Um die Ganztagsbetreuung umsetzen zu können, müssen die Kommunen ihre Grundschulen ausbauen, um zum Beispiel Mensen zu errichten. Doch die finanziellen Mittel, die der Bund zur Verfügung stellt, reichen dafür nicht aus. 360 Millionen Euro bekommt Baden-Württemberg aus dem Bundesprogramm. Die Förderanträge der Gemeinden und Städte belaufen sich hingegen auf 1,2 Milliarden Euro. Die Kommunen in Baden-Württemberg hätten von Anfang an Bedenken gehabt, meint Oberbürgermeister Schlatterer. Es sei doch eine Selbstverständlichkeit, dass Beschlüsse auch umgesetzt werden müssen. Doch ohne Geld gehe erstmal gar nichts. Seine Prognose: Zwei Drittel der Kinder im Grundschulbereich, die einen Anspruch haben, werden diesen nicht erhalten, weil die Räumlichkeiten fehlen.

"Losverfahren ist neue Dimension im Umgang mit Kommunen"

Auch Ettenheims Bürgermeister Bruno Metz aus dem Ortenaukreis kritisiert die Landesregierung scharf. Die Auslosung von Zuschüssen nennt er einen "Skandal und einen Offenbarungseid". Bund und Land würden sich gegenüber den Städten und Gemeinden aus der Verantwortung nehmen, so Metz. Seine Stadt hat fünf Millionen Euro Zuschüsse für die Ganztagsschulen beantragt und könnte bei Lospech leer ausgehen.

Hoher Rückstand bei Ganztagsbetreuung im Land

Baden-Württemberg liegt beim Ausbau der Ganztagsbetreuung im bundesweiten Vergleich auf dem letzten Platz. Nur etwa 30 Prozent der baden-württembergischen Grundschulen sind Ganztagsschulen, sagt der Städtetag. Das Kultusministerium spricht von einer "Skepsis gegenüber einem schulischen Ganztag", die es in anderen Bundesländern nicht gegeben habe. Damit wurde nur nach Bedarf ausgebaut, sodass jetzt ein großer Nachholbedarf besteht.

Kultusministerium: Losverfahren ist fair und rechtssicher

Das Kultusministerium verteidigt das Vorgehen bei den Fördermitteln vehement. Da das Antragsvolumen die verfügbaren 360 Millionen Euro bei Weitem überschritten habe, musste eine Reihenfolge festgelegt werden. Normalerweise läuft das nach Zeit, wer sich zuerst gemeldet hat, wird zuerst bearbeitet. Da in diesem Fall aber alle Anträge gleichzeitig an das Ministerium übermittelt wurden, habe man sich für das Losverfahren entschieden. Jetzt werden die Anträge abgearbeitet, bis der Topf leer ist.

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