Ärzte kommen ins Rentenalter

Kreis Waldshut: Warum Familien auf dem Land keinen Kinderarzt finden

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Autor/in
Vanessa Amann
Vanessa Amann, Reporterin Studio Freiburg

Mehr als die Hälfte der Kinderärzte im Kreis Waldshut steht kurz vor der Rente. Und nicht jeder findet eine Nachfolge. Was das für die medizinische Versorgung von Kindern bedeutet.

Fachärzte sind im ländlichen Raum rar. Schon jetzt verzweifeln viele Eltern im Kreis Waldshut bei der Suche nach einem Kinderarzt. Das Problem wird sich zukünftig aber noch zuspitzen. Denn viele Kinderärzte im südlichen Kreis Waldshut werden in den nächsten Jahren wegfallen. Der Grund: Mehr als die Hälfte von ihnen ist über 60 Jahre alt und nicht jeder findet eine Nachfolge.

Eltern haben im Kreis Waldshut Probleme Arzt für ihre Kinder zu finden

Es ist besetzt, der Anrufbeantworter springt sofort an, oder es klingelt minutenlang - für Svenja Hierholzer aus St. Blasien (Kreis Waldshut) ist es immer dasselbe Spiel. Seit Wochen sucht sie nach einem neuen Kinderarzt für ihre siebenjährige Tochter.

Es ist total frustrierend.

Denn ihr jetziger Kinderarzt schließt seine Praxis am Ende des Jahres aus Altersgründen. Er ist einer von zwei Kinderärzten im Kreis Waldshut, der keine Nachfolge gefunden hat. Damit bleiben nur noch elf Kinderärztinnen und Kinderärzte im Landkreis übrig. 

Expertin vom KVBW: Nicht mehr jeder Arzt will selbstständig sein

Die "typische Praxisstruktur" im Kreis Waldshut würde eine geregelte Nachfolge schwer machen, so Doris Reinhardt von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW). Denn die meisten Kinderarztpraxen werden als Einzelpraxen geführt. Dadurch tragen die Ärztinnen und Ärzte nicht nur die Verantwortung für den Patienten, sondern auch das finanzielle Risiko. Nicht mehr jeder Arzt oder jede Ärztin wolle selbstständig sein. Beliebter seien aktuell eher Kooperationsformen, wie beispielsweise Medizinischen Versorgungszentren.

Wir haben in der ambulanten Medizin den Trend zu Anstellung und Teilzeit. Sodass größere Praxisverbünde bevorzugt übernommen oder als Tätigkeitsort gewählt werden, als die klassische Einzelpraxis.

Verbleibende Kinderärzte versuchen Patienten aufzufangen

Jochen Sperling ist seit rund 40 Jahren Kinderarzt im Kreis Waldshut. Mit 67 Jahren denkt er noch nicht ans Aufhören. Die Arbeit mit Kindern halte ihn jung, so der Facharzt. Doch er und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen die Sorgen der Eltern nur zu gut.

Eine seiner Arzthelferinnen sagt: "Uns rufen täglich verzweifelte Eltern an und fragen, ob wir noch neue Patienten aufnehmen können." Zu Spitzenzeiten werden in der Praxis knapp 2.500 Kinder und Jugendliche im Quartal behandelt. "Da kommen wir an unsere Belastungsgrenze", sagt der Kinderarzt.

Wir müssen das irgendwie auffangen, ich weiß nicht wie. Ich kann auch nicht jeden Fiebernden am gleichen Tag anschauen. Das ist völlig unmöglich.

Je mehr Patienten, desto größer sei auch die Gefahr, etwas zu übersehen, betont der Facharzt. Noch sei ihm kein gravierender Fehler passiert. Doch der Druck und die Verantwortung wachsen mit jedem neuen Patienten und jeder neuen Patientin.

Medizinische Versorgung für Kinder im Kreis Waldshut angespannt

Schon jetzt müssen Eltern im Kreis Waldshut lange Fahrzeiten in Kauf nehmen, wenn ihr Kind am Wochenende oder an einem Feiertag zum Arzt muss. Denn der Kinderärztliche Notdienst für den Kreis Waldshut wurde komplett an das St. Elisabethen-Krankenhaus in Lörrach verlegt. Das liegt teilweise über eine Stunde mit dem Auto entfernt.

Svenja Hierholzer und ihre Tochter Lena-Marie Hand in Hand in St. Blasien (Kreis Waldshut).
Svenja Hierholzer hofft, dass ihre siebenjährige Tochter auch in Zukunft gesund bleibt und der Weg zum Kinderarzt dadurch erspart bleibt.

Eineinhalb Stunden bis zum nächsten Kinderarzt

Wenn Svenja Hierholzer weiterhin keinen neuen Kinderarzt für ihre Tochter findet, wird sie künftig weitere Wege fahren müssen. Darüber hat sie sich bereits unter der Bereitschaftsnummer 116 117 informiert. So rechnet sie damit, dass der nächstverfügbare Kinderarzt erst in Freiburg oder Gundelfingen (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) seine Praxis hat. Die Fahrtzeit dorthin beträgt eineinhalb Stunden, wenn es gut läuft.

Dass Svenja Hierholzer mit ihren Sorgen nicht allein ist, zeigt auch eine Petition, die im Februar am Hochrhein gestartet wurde. Sie fordert eine bessere medizinische Versorgung für ihre Kinder. Unterschrieben haben sie bereits rund 14.300 Menschen.

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