Zwei Wochen nach der Veröffentlichung des Berichts über sexuellen Missbrauch im Erzbistum Freiburg hat sich die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, von Alt-Erzbischof Robert Zollitsch distanziert. Zollitsch sei ein Heuchler, der bei der Aufarbeitung von Missbrauch das Kirchenrecht komplett ignoriert, die Öffentlichkeit belogen und Missbrauchstäter geschützt habe, sagte Stetter-Karp im Deutschlandfunk.
Wahrheitskommission zur Missbrauch-Aufarbeitung gefordert
Die Komitee-Chefin forderte den Bundestag auf, eine Wahrheitskommission zu gründen und rechtliche Standards für eine Aufarbeitung von Missbrauch in allen Teilen der Gesellschaft festzulegen. Weder die Kirchen noch andere Institutionen dürften künftig die Möglichkeit haben, eine Aufarbeitung von Missbrauch zu unterlaufen.
Den von Zollitsch 2010 nach der Aufdeckung des Skandals organisierten Gesprächsprozess in der Kirche bezeichnete Stetter-Karp als Ablenkungsmanöver, mit dem die Probleme verkleistert werden sollten. Von 2008 bis 2014 war Erzbischof Zollitsch auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.
Sexualisierte Gewalt in der Kirche Missbrauchsbericht: "Toxische Strukturen" im Erzbistum Freiburg
Nach der Veröffentlichung des Missbrauchsberichts im Erzbistum Freiburg ist klar: Kirchliches Recht wurde zugunsten von Tätern ignoriert. Der Bericht beleuchtet 45 Jahre unter drei Erzbischöfen.
Bericht: "Konkretes Vertuschungsverhalten" von Zollitsch
Der Mitte April veröffentlichte Bericht über sexuellen Missbrauch durch Geistliche im Erzbistum Freiburg kommt zu dem Schluss, dass die Amtszeit von Alt-Erzbischof Robert Zollitsch bis 2013 durch "konkretes Vertuschungsverhalten" geprägt war. Zollitsch hatte bereits im Oktober in einem Video schwerwiegende Fehler und persönliche Schuld eingeräumt. Er hat inzwischen Ehrungen wie das Bundesverdienstkreuz und den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg zurückgegeben.
Bislang fünf Anzeigen gegen Alt-Erzbischof Zollitsch
Unterdessen sind bei der Freiburger Staatsanwaltschaft bis Dienstag, 2. Mai, fünf Anzeigen gegen den früheren Erzbischof eingegangen. Das teilte ein Sprecher der Behörde auf SWR-Anfrage mit. Demnach geht es in allen Fällen um den Vorwurf der Strafvereitelung. Die Anzeigen von Privatpersonen würden nun "im Rahmen der ohnehin von Amts wegen zu erfolgenden Sichtung und Prüfung des Abschlussberichts" bearbeitet, hieß es von der Staatsanwaltschaft. Strafanzeigen gegen andere Mitarbeiter der Erzdiözese seien derzeit nicht bekannt.
Da Strafvereitelungs-Delikte nach fünf Jahren verjähren, erscheint eine Anklage gegen Zollitsch in diesem Punkt unwahrscheinlich. Der Alt-Erzbischof ist bereits seit 2014 im Ruhestand. Allerdings drohen Zollitsch auch von Seiten der katholischen Kirche Sanktionen. Ein entsprechendes Verfahren wurde nach Angaben des amtierenden Freiburger Erzbischofs, Stephan Burger, beim Heiligen Stuhl in Rom eingeleitet.