Der Ukraine-Krieg, Corona, eine hohe Inflation und die Klimakrise: Wir leben in schwierigen Zeiten. Dazu ist es jetzt im Herbst und Winter schnell dunkel und ungemütlich draußen. Lisa D’Astolfo ist Psychotherapeutin am "Sigma Zentrum", einer Privatklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Bad Säckingen (Landkreis Waldshut). SWR-Moderator Freddy Kunzelmann hat mit ihr über Herbstdepressionen und Tipps dagegen gesprochen.
SWR: Was macht das mit uns, wenn wir negative Dinge wahrnehmen?
Lisa D'Astolfo: Negative Nachrichten drücken natürlich auf die Stimmung. Gerade in dieser Jahreszeit, wo das Tageslicht kürzer wird. Dann verarbeitet unser Gehirn negative Nachrichten besser. Früher war das ein evolutionärer Vorteil, ähnlich dem Sprichwort "Aus Fehlern lernt man". Aber es kann zu Gefühlen von Überforderung, Hilflosigkeit, Ängsten oder auch Ärger führen. Das drückt die Stimmung. Die Gedanken kreisen - man kann nicht mehr so gut abschalten.
SWR: Welche Rolle spielt dabei das trübe November-Wetter?
D'Astolfo: Das fehlende Tageslicht oder das kürzer werdende Tageslicht schlägt uns auf jeden Fall auf die Stimmung, aber auch auf die Hormone. Das führt häufig zu mehr Müdigkeit und Schlappheit. Man will sich lieber zurückziehen und beispielsweise auf die Couch kuscheln.
SWR: Wenn wir merken, dass wir im "Herbst-Blues" stecken und negative Gedanken haben: Wie können wir da rauskommen?
D'Astolfo: Ganz wichtig ist es, ein positives Gegengewicht zu schaffen - positive Momente am Tag zu suchen. Zum Beispiel hilft Bewegung immer. Die Mittagspause kann man ab und zu nach draußen verlegen, um ein bisschen Tageslicht abzugreifen und einen Spaziergang zu machen. Außerdem kann Genuss helfen. Zum Beispiel einfach mal die Lieblingsmusik auflegen, durch die Wohnung tanzen, den Morgenkaffee oder Tee besonders genießen oder in dieser Jahreszeit ein warmes Bad nehmen.
SWR: Kann zum Beispiel auch Alkohol eine Hilfe sein? Ein Gläschen Wein - und die Welt sieht wieder besser aus?
D'Astolfo: Grundsätzlich ist nichts gegen einen Glas Wein ab und zu am Abend zu sagen. Aber man sollte es auf keinen Fall zu häufig machen und es darf auch nicht die einzige Strategie bleiben.
SWR: Wann sollte ich zum Arzt oder zu einem Psychologen gehen und mir Hilfe holen?
D'Astolfo: Wenn man merkt, dass der Alltag wirklich schwierig wird und man sich dem nicht mehr gewachsen fühlt. Wenn man merkt, die Stimmung bleibt über Wochen negativ, man kommt gar nicht mehr aus dieser Stimmung heraus. Und wenn man merkt, man zieht sich immer weiter von sozialen Kontakten und Freunden und Familie zurück. Oder wenn die Dinge nicht mehr so Spaß machen, wie sie früher Spaß gemacht haben. Dann wäre es wichtig, sich entweder ambulant oder - wenn es sehr schwierig wird - natürlich auch stationäre Hilfe zu holen. Es gibt in Deutschland auch verschiedene Telefonseelsorgen, die man im Internet einfach finden und telefonisch oder online sehr gut erreichen kann.