Lange wurde gebangt und bis zuletzt gehofft, jetzt ist klar, das Zentrum für Autismus Kompetenz Südbaden (ZAKS) wird Ende August schließen. Rund 450 Menschen im Autismus-Spektrum wurden an den Standorten Bad Säckingen (Landkreis Waldshut), Lahr (Ortenaukreis), Offenburg (Ortenaukreis) und Freiburg betreut, vor allem Kinder und Jugendliche.
Die heute 18-jährige Emma Faßler aus Lörrach bekam ihre Diagnose als Teenagerin, in der achten Klasse. Mobbing, Probleme mit dem Sozialverhalten, Depressionen, nach einem sechswöchigen Aufenthalt in einer Kinderpsychatrie und einigen Tests war da plötzlich diese Diagnose. "Ich wusste gar nicht, was ich damit anfangen soll, was bedeutet das jetzt, wie geht es jetzt weiter", so die 18-jährige Abiturientin.
In ihrer Familie sprechen sie bis dahin nur von dem bösen A-Wort. Die Diagnose macht Emma schwer zu schaffen. Zu ihrer erster Therapiestunde im Freiburger ZAKS ging sie damals nur widerwillig. Ein entscheidender Aspekt für sie weiter hin zu gehen: Die Therapeutin spricht nicht von Patientinnen und Patienten, sondern von Klientinnen und Klienten. "Dadurch ist es für mich von der Therapie einer Krankheit zu einer Art Dienstleistung geworden, das hat es für mich deutlich weniger unangenehm gemacht."
Spezielle Ausbildung der Mitarbeitenden
Während das Thema Autismus in vielen Ausbildungen oft nur beiläufig ein Thema ist, sind die Mitarbeitenden des ZAKS auf Autismus spezialisiert. Von Seiten der Träger hoffe man natürlich darauf, einige der Mitarbeitenden übernehmen zu können. "Wir möchten auch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ZAKS gGmbH weiter beschäftigt werden", so die Stellungnahme vom Landratsamt Waldshut.
Das dürfte jedoch auch deutlich weniger an Gehalt bedeuten. Denn bisher wurden Mitarbeitende des ZAKS nach Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlt, doch das war den Trägern zu viel. Rund 30 Leistungserbringer aus Südbaden saßen mit am Verhandlungstisch, darunter unter anderem die Vertreterinnen und Vertreter der Jugendämter aus den Landkreisen. "Ich persönlich hätte mir ja gewünscht, dass die anderen Anbieter zusammenstehen und für ihre Mitarbeitenden auch eine Bezahlung nach Tarif fordern", so Sonja Pöhlitz, die viele Jahre als therapeutische Leitung am ZAKS arbeitet. Nun steht ihnen die Insolvenz ins Haus.
Landkreise wollen schnellstmöglich Folgeangebote schaffen
Die Frist, um die Insolvenz doch noch abzuwenden, sei am Freitag abgelaufen, so Insolvenzverwalter Thilo Braun. Aus Sicht der öffentlichen Träger sei die Schließung eine "unausweichliche Entscheidung", erklärt Sozialdezernent Heiko Faller vom Ortenaukreis. In der Kürze der Zeit sei es nicht möglich gewesen, die finanziellen Probleme lösen zu können. Die sechs beteiligten Landkreise versuchen nach eigenen Angaben, schnellstmöglich Folgeangebote für die 450 Klientinnen und Klienten zu schaffen. Detaillierte Auskünfte könne man zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht geben, da die Verhandlungen momentan noch laufen, heißt es aus dem Landratsamt Waldshut. Unklar ist auch, wie lange die Wartezeiten für einen neuen Therapieplatz sein werden.
Den Start ins Studium alleine meistern
Viele Menschen und Lautstärke, das Schultreppenhaus nach der großen Pause oder Versammlungen mit allen Schülerinnen und Schülern in der Aula, für Emma waren das all die Jahre große Herausforderungen. Gleichzeitig ist sie hochintelligent, mehrfache deutsche Physikmeisterin. Ab Herbst möchte sie in Freiburg Physik studieren, in Hörsälen mit vielen Menschen den Vorlesungen folgen und mit hunderten Studierenden in der Mensa essen gehen. In der Therapie am ZAKS habe sie sich mit Unterstützung ihrer Therapeutin auf diesen nächsten Schritt vorbereitet. Gemeinsam haben sie mögliche Wohnheime und die Fakultät besucht, Zukunftspläne besprochen und alternative Zukunftspläne erarbeitet, falls auch mal etwas nicht klappen sollte. Wie oft bei Menschen mit Autismus macht Planung für Emma vieles deutlich einfacher.
Ihre Therapie am ZAKS war einer der Gründe, warum sich Emma für Freiburg als Studienort entschieden hat. Mit dem Ende des ZAKS endet nun aber auch ihre Therapie. "Für mich ist das sehr schade, man hätte sich noch zusammen auf dieses neue Ding, das Studium, einstellen können", bedauert Emma. Doch viel schlimmer findet sie es noch für all die anderen und jüngeren Menschen, die nun ihren Therapieplatz verlieren.
"Ein klarer Rückschritt in Sachen Inklusion"
"Dass Menschen mit Autismus vielleicht nicht in ein Sommerlager fahren können oder Studieren können, so wie ich es dank der Therapie konnte, das finde ich eine gruselige Vorstellung und ist ein klarer Rückschritt was Inklusion angeht". Selbst wenn sie in der Kürze der Zeit einen neuen Platz bekommen sollte, für Emma kommt das nicht in Frage. Obwohl sie immer sehr viel Glück mit ihren Therapeutinnen gehabt habe, seien ihr die Wechsel nie leicht gefallen. Aus diesem Grund will sie den Start in den neuen Abschnitt alleine meistern - unter anderem mit dem, was sie in den vergangenen drei Jahren am Freiburger ZAKS an Methoden und Hilfen an die Hand bekommen hat. Denn einer der wichtigsten Punkte, die Emma aus ihrer Therapie mitnimmt, ist, dass Autismus ihre ganz eigene Superkraft ist.