Zigmal sind Katja Altmann und Marcus Ehrhardt an der alten "Aral" bei Kirchzarten (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) vorbeigefahren. Die kleine, verfallene Tankstelle aus den 1950er-Jahren mit dem weit ausladenden Vordach hat es ihnen angetan. Ob man hier wohnen könnte? Dazu muss man wissen: Die beiden sind vom Fach, sie sind erfahrene Architekten. Als die Tankstelle dann zum Verkauf steht, schlagen sie sofort zu.
Das Tankstellen-Projekt (Teil 1) in der Landesschau Baden-Württemberg:
2022 kaufen sie die Tankstelle. Da steht das Gebäude schon seit über 30 Jahren leer. An Fenstern und Türen blättert der Lack ab, auf dem Vorplatz sprießt Unkraut durch den Asphalt. Drinnen rosten offene Leitungen an vergilbten Kachelwänden vor sich hin, es riecht nach Arbeit und Motoröl. Hier wohnen? Manche Freunde erklären Katja und Marcus für verrückt.
Tankstelle war noch im 50er-Jahre-Zustand
Bis Ende der 80er-Jahre war die "Aral" für Autofahrerinnen und -fahrer zwischen Freiburg und dem Schwarzwald eine feste Adresse. Dann wurde die B31 verlegt und die Zapfstelle an der alten Strecke fiel in den Dornröschenschlaf. Doch ihr originaler 50er-Jahre-Zustand blieb nahezu erhalten. Und genau das faszinierte die beiden. "Wir wollen versuchen, so viel wie möglich vom Charakter dieser Tankstelle zu erhalten", erklärte Marcus Erhardt kurz nach dem Kauf mit leuchtenden Augen. Die Bausubstanz sei sehr gut, auch nach all den Jahren. "Ich denke, wir wissen genau, was wir hier tun", war Katja Altmann damals sicher. Schließlich hatten sie als Architekten schon reichlich Erfahrung.
Das Tankstellen-Projekt (Teil 2) in der Landesschau Baden-Württemberg:
Im Tankstellen-Kiosk ist heute die Küche
Zweieinhalb Jahre später, Ende 2024, sitzt das Paar gemeinsam mit Katjas Tochter Livia (17) beim Abendessen und schaut aus den frisch verglasten Toren der ehemaligen Kfz-Werkstatt nach draußen. Die Küche nebenan ist dem früheren Kiosk der Tankstelle nachempfunden. Die langgezogene Kücheninsel erinnert an den Verkaufstresen. Und im ebenso luftigen Wohnzimmer liegt noch das originale Grubengitter der ehemaligen Waschgarage.
Dass sie ihren Traum wahr gemacht haben und jetzt tatsächlich in der Tankstelle wohnen, können die Drei noch nicht so richtig fassen. "Noch ein bisschen surreal" fühle sich das an, sagt Katja. "Es war ein langer Weg", ergänzt Marcus, der sich erinnert, "wie heftig das letzte Jahr war". Und überhaupt, es lief nicht immer alles nach Plan.
Böse Überraschung bei der Deckensanierung
Größter Schreckmoment: Unter dem Deckenputz hatten sich sogenannte Sauerkrautplatten aus Holzwolle versteckt. Damit wollte man in den 50er-Jahren Material sparen. Die Platten mussten raus, die Decke komplett neu betoniert werden. Das kostete viel Zeit, Nerven und vor allem Geld. Da kam ein 50.000-Euro-Scheck der Denkmalstiftung Baden-Württemberg gerade recht. Denn die Kirchzartener Tankstelle steht unter Denkmalschutz.
Inflation, Coronazeit, unvorhergesehene Baukosten - das Tankstellenprojekt war am Ende, wie so oft, deutlich teurer, als gedacht. Marcus und Katja bereuen es trotzdem nicht. Und auch Livia fühlt sich wohl in ihrem verwinkelten Zimmerchen. Eine neue Dachluke ermöglicht nachts den Blick in die Sterne. "Ich find's gemütlich und schnuckelig", sagt sie. Dabei habe sie lange gezweifelt, ob alles klappt. Noch am Tag vor dem Einzug glaubt sie: "Das wird nix."
Tag der offenen Tür in der Wohn-Tankstelle geplant
Jetzt fehlt nur noch der Garten. Dafür wollen sie einen Teil der Asphaltdecke aufbrechen. Das charakteristische Vordach bleibt natürlich erhalten. Hier soll bald auch wieder eine alte Zapfsäule stehen - ohne Anschluss, versteht sich. Zur Straße hin wird noch eine Mauer gebaut - Privatsphäre muss sein. Damit die Kirchzartener sehen, was aus "ihrer" Aral geworden ist, wollen die Drei beim Tag des offenen Denkmals ihre Türen und Tore öffnen. Die Neugier war schon während des Umbaus groß, erzählt Marcus. Nach über 30 Jahren brennt in der alten Tankstelle jetzt wieder Licht.