Juliana Momat aus Dunningen im Kreis Rottweil ist ratlos. Die Mutter sucht seit Monaten eine neue Kinderarztpraxis für ihre kleine Tochter. Aber immer wieder wird sie abgewiesen: Aufnahmestopp! Die Kinderarztpraxen in der Region sind voll ausgelastet. Und nun geht eine weitere Ärztin in den Ruhestand. "Wir suchen überall, aber niemand will neue Patienten nehmen", klagt Juliana.
Noch ist Juliana mit ihrer Tochter bei der Kinderärztin Margot Klotz in Zimmern ob Rottweil. Doch die 64-jährige Medizinerin geht zum Ende des Monats in den Ruhestand. Nach 30 Jahren in der eigenen Praxis. Tolle Jahre seien es gewesen, erzählt sie: "dabei aber auch sehr anstrengend und kräftezehrend!"
Intensive Suche bleibt ohne Erfolg
Schon vor eineinhalb Jahren hat Margot Klotz angefangen, intensiv nach einer Nachfolge für die Praxis zu suchen. Bis heute ohne Erfolg. Den Grund sieht die erfahrene Ärztin in den sich verändernden Ansprüchen der jungen Kolleginnen. Jungen Ärzte wollten heute nicht mehr die Verantwortung für eine eigene Praxis. Gefragt sei eine ausgewogene "Work-Life-Balance" mit geregelten Arbeitszeiten. Und genügend Zeit für die eigene Familie, so Margot Klotz.
Eine selbständig geführte Praxis lässt dafür keinen Spielraum. Lange Arbeitstage sind die Regel. Hinzu kommen unternehmerisches Geschick und Praxismanagement. "Und zudem nimmt einen die Bürokratie immer mehr in Anspruch", kritisiert Klotz. Das stört auch den Kinderarzt Stefan Röser aus dem benachbarten Villingen-Schwenningen. Er will zwar noch nicht ganz aufhören, hat aber angekündigt, seine Kassenzulassung zurück zu geben.
12.000 Kinder bald unversorgt?
Ärztemangel auf dem Land wird noch mehr zum Problem, fürchtet Klotz. Es fehlen nicht nur Kinderärzte. Betroffen ist praktisch jede Fachrichtung. Ein Modell, mehr junge Ärzte für die Arbeit außerhalb der Ballungsräume zu begeistern, wären so genannte Medizinische Versorgungszentren. Die haben aus Sicht der Kinderärztin Margot Klotz klare Vorteile, "weil die Ärzte da im Angestelltenverhältnis beschäftigt und die Arbeitszeiten damit klar geregelt sind."
Wieviele Patienten eine kassenärztliche Kinderarztpraxis insgesamt betreut oder überhaupt betreuen darf, hängt von vielen Faktoren ab. Das System ist kompliziert und wird über die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) in Stuttgart gesteuert. Statistisch gesehen kümmert sich ein "Kassenarzt-Sitz" im Schnitt um rund 6.000 kleine Patientinnen und Patienten. Schließen zwei Praxen - so wie jetzt möglicherweise im Raum Rottweil/Schwarzwald-Baar - dann stehen eben plötzlich 12.000 Kinder ohne dauerhafte Betreuung da. Wenngleich auch nur rechnerisch.
Den Eltern hilft das allerdings wenig. Für sie heißt es in jedem Falle: Weiter suchen. Oder warten, bis eine andere Praxis wieder einen Platz frei hat. Zumindest Kinder ab dem zwölften Lebensjahr dürfen auch vom "normalen" Hausarzt betreut werden.
Nach Lösungen wird gesucht
Die KVBW weiß um das Problem in der Region Rottweil und Villingen-Schwenningen, gibt sich aber äußerst zugeknöpft. Man arbeite an Lösungen, heißt es auf Nachfrage. Wie diese Lösungen aussehen könnten, lässt die KVBW dabei offen.