Wendlingen am Neckar (Kreis Esslingen) ist eine von landesweit drei Kommunen, die die neue Grundsteuer C erheben. Die Stadt erhofft sich davon mehr Wohnraum. Denn für unbebaute Grundstücke sind die seit Anfang 2025 erhobenen Steuern deutlich höher als die Steuern für bebaute Grundstücke.
Wendlingen: Grundsteuer C soll Baulücken schließen
Die neue Steuer-Variante ist eine Option. Sie ist keine Pflicht für Kommunen entsprechend der bundesweit neu geregelten Grundsteuer. Nur wenige Kommunen nutzen sie in Baden-Württemberg - etwa Tübingen und Merdingen (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald). Sie trifft Eigentümerinnen und Eigentümer unbebauter, aber baurreifer Grundstücke: Diese müssen künftig deutlich mehr pro Quadratmeter zahlen. Die Absicht: Wer sogenannte "Baulücken" beziehungsweise "Enkelgrundstücke" besitzt, soll dazu motiviert werden, selbst Wohnraum zu schaffen oder Bauland freizugeben.
Während der Hebesatz bei bebauten Gewerbe- und Wohnflächen bei 170 Prozent liegt, liegt der Hebesatz bei baureifen, aber unbebauten Grundstücken in Wendlingen nun bei 250 Prozent. Wer so ein Grundstück hat und das auch noch attraktiv gelegen ist mit einem entsprechend hohen Bodenrichtwert, wird tief in die Tasche greifen müssen. Die neue Grundsteuer wird somit zu einem weiteren finanziellen Hebel.
Tübingen: Ein Teil der Baulücken konnten geschlossen werden
Einen ähnlichen Hebel hatte vor gut fünf Jahren das nahe Tübingen mit einem Baugebot angesetzt - das nutzte das Baurecht und Zwangsgelder als finanzielles Druckmittel. Innerhalb von drei Jahren, so die Stadt, habe man dort die Besitzer von 73 der rund 500 Baulücken zum Bauen oder Verkaufen bewegen können.
Wendlingen: Stadt mit wenig Wohnraum, hohen Mieten und 70 Baulücken
Wendlingen liegt verkehrsgünstig nahe der A8, hat einen Bahnanschluss direkt nach Stuttgart, Tübingen und Ulm und ist wirtschaftsstark. Hier wollen viele wohnen, die Mieten sind hoch, das Bauland rar.
"Die Wohnraumsituation in Wendlingen am Neckar ist besonders angespannt", erklärt Bürgermeister Steffen Weigel (SPD) den Schritt, warum der Gemeinderat im vergangenen Herbst die Grundsteuer C beschlossen hat. In der Stadt gelte wie in insgesamt 89 weiteren Kommunen in Baden-Württemberg eine Mietpreisbremse. Schon das zeige die angespannte Lage beim Wohnraum in Wendlingen. Deswegen habe sich die Stadt dazu entschieden, die Grundsteuer C einzuführen. Betroffen seien rund 70 Grundstücke.
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Wendlingen zwischen Härtefall und erhoffter Hebelwirkung
Sicherlich gebe es unterschiedliche Gründe für Baulücken, sagt Bürgermeister Weigel. "Einige Menschen können es sich aktuell nicht leisten zu bauen", sagt der Sozialdemokrat. Das seien Härtefälle. Aber eben nicht alle hätten solche Not: "Andere behalten die Grundstücke als Wertanlage, heben sie für spätere Generationen auf oder sehen sie als Spekulationsobjekte."

Es sei ein Dilemma: Die Grundsteuer C könne, so Bürgermeister Weigel, durchaus zu Fällen führen, in denen die Eigentümer ihr Grundstück verkaufen müssten. "Das ist eine große Härte, das verstehe ich auch." Andererseits sei eben genau jetzt der hohe Bedarf an Bauland da. Sprich: Durch den Hebel der Grundsteuer C bekommen so gerade jüngere Menschen und Familien die Chance zum Bauen - ohne neue Baugebiete und eine weitere Zersiedelung der Landschaft. Und alle Infrastruktur für Neubauten - Strom, Wasser, Zufahrt - steht dabei schon bereit.
Bund der Steuerzahler: Verfassungsklagen gegen Grundsteuer C?
Der Bund der Steuerzahler sieht die Grundsteuer C kritisch. Eike Möller, Vorsitzender des Landesverbands Baden-Württemberg, rechnet sogar mit Verfassungsklagen. "Eine Steuer darf nicht so hoch sein, dass sie Eigentümer quasi zwingt, ihr Grundstück zu verkaufen", erklärt er. "Wir haben auch den Schutz des Eigentums im Grundgesetz. Jetzt ist die Frage, ob die Steuer zu sehr in Eigentumsrechte eingreift." Diese Abwägung könnte dann sogar das Bundesverfassungsgericht klären müssen.
Stadt Stuttgart will Entwicklung bei Grundsteuer C beobachten
Mehr Geld verdienen will die Stadt Wendlingen übrigens durch die neue Grundsteuer nicht - alle drei Kategorien seien so durchgerechnet, dass sie "auskommensneutral" sind - die einen würden mehr, die anderen weniger bezahlen und die Einnahmen der Gemeinde sollen in etwa gleich bleiben. So hatte es das Land den Kommunen empfohlen, wobei sich nicht alle Kommunen daran gehalten haben. Und andere Kommunen bitten auch ohne die Grundsteuer C Besitzer von baureifen Flächen zur Kasse.

In Stuttgart etwa zahlen seit Jahresbeginn Eigentümer unbebauter Grundstücke 30 Prozent mehr Grundsteuer B als bei vergleichbaren bebauten Flächen, sagte Stadtsprecher Sven Matis auf SWR-Anfrage. "Eine Grundsteuer C gab es bereits in früheren Jahren schon mal und war mit erheblichen rechtlichen Streitigkeiten verbunden und deshalb ein paar Jahre später auch wieder abgeschafft", erklärte er weiter. Aber man wolle durchaus "die rechtlichen Entwicklungen als auch die vermeintliche Lenkungswirkung" der Grundsteuer C etwa in Wendlingen beobachten.