Der Wein gehört zur DNA des Remstals. Rund 1.000 Hektar Rebfläche prägen hier das Landschaftsbild. Etwa das Doppelte, so schätzt der Weinbauverband, könnte in Württemberg schon in zwei bis drei Jahren verloren gehen. Von den insgesamt rund 11.000 Hektar Rebfläche sind 2.000 vom Verschwinden bedroht.
Es hat sich ausgewachsen: Immer mehr Winzer geben auf
Wenn Wengerter Claus Mannschreck mit seinem Planwagen durch die Strümpfelbacher Weinberge im Rems-Murr-Kreis fährt, sieht er nun immer häufiger kahle, verwilderte Flächen zwischen den Reben. Der fortschreitende Strukturwandel im Weinbau - hier wird er sichtbar.
Gestiegene Kosten und eine schlechte Marktlage machen derzeit auch vor den Winzern nicht Halt. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Württemberger Weinbaubetriebe bereits halbiert. Mittlerweile trifft es auch die Großen wie beispielsweise den Sonnenhof in Vaihingen-Gründelbach (Kreis Ludwigsburg), eines der größten Weingüter in Württemberg. Ende Januar verkündete Inhaber Martin Fischer nach 50-jährigem Bestehen das Aus seines Betriebs und begann mit der Auflösung der rund 50 Hektar.
Claus Mannschreck bewirtschaftet gemeinsam mit seiner Frau Martina in Weinstadt-Strümpfelbach elf Hektar Rebfläche. Weil ihr Betrieb recht klein ist, wächst er momentan noch. Die beiden setzen auf Direktvermarktung, zusätzliche Angebote wie Planwagenfahrten und ein glückliches Händchen. Das Kostenproblem, meint Claus Mannschreck, sei für die Weinbranche nichts Neues. Bisher konnten Winzer das ausgleichen, indem sie immer mehr Fläche hinzu nahmen. Es galt das Motto "Wachsen oder weichen".
Leerstand wird umliegenden Winzern zur Gefahr
Jetzt im März keimen auf Mannschrecks Weinbergen schon die ersten Reben, milden Temperaturen und vielen Niederschlägen sei Dank. Der Winzer ist zufrieden. Trotzdem treibt ihn wie auch seine Nachbarn die Sorge um den wachsenden Leerstand um. Denn im ungepflegten Rebstock gedeiht der Pilz, der gefürchtete Mehltau.
Pilze bilden Sporen, erklärt Mannschreck, und die verteilen sich dann über die ganze Gemarkung und greifen auf bewirtschaftete Flächen über. Der "Krankheitsdruck" im Umfeld steigt. Da könne dann nicht einmal mehr Pflanzenschutz viel ausrichten, meint er.
Landkreis will gegen Verwilderung vorgehen
Die Sorgen der Remstaler Wengerter drehen sich also um steigende Kosten, aber auch um Kolleginnen und Kollegen, die nach der Aufgabe ihres Betriebs ihre Weinberge nicht mehr weiterpflegen, wodurch sich der Mehltau-Pilz ausbreitet.
Im Landratsamt des Rems-Murr-Kreis hat Michael Stuber, verantwortlich für die Landwirtschaft, gemeinsam mit anderen Akteuren deshalb einen runden Tisch ins Leben gerufen. Die Behörde will den Winzern damit signalisieren, dass sie ernst genommen werden. Immer häufiger kommen die, die aufgeben müssen, zu ihm in die Beratung.
Auch Annegret Würthele lässt sich beraten. Die 57-Jährige sitzt auf Rebflächen fest. Selbst bewirtschaften kann sie sie nicht, doch sie findet auch keine Abnehmer. Denn durch die sinkende Nachfrage sind die Pachtpreise eingebrochen.
Michael Stuber versucht hier zu unterstützen und zu vermitteln. Außerdem erinnert er auch die ehemaligen Winzer daran, dass sie gesetzlich dazu verpflichtet sind, weiter für eine gewisse Mindestpflege zu sorgen. Dann müsse gerodet und anschließend mindestens einmal jährlich gemäht oder beweidet werden, so Stuber. Andernfalls drohen Strafen. Damit Städte und Gemeinden die Pflicht auch durchsetzen, will der Landkreis hier nun stärker informieren und auf das Problem aufmerksam machen.
Wunsch der Winzer: Heimischer Wein für Rebenerhalt
Claus Mannschreck hofft, dass das Wirkung zeigt, damit seine Reben gesund bleiben und er im Herbst gesunde Trauben lesen kann. Doch bei aller Sorge - von Schwarzmalerei hält der Winzer wenig.
Einen Appell hat er aber: 'Support your Locals'. Wer gern im Weinberg spazieren gehe, solle sich am Supermarktregal hin und wieder mal daran erinnern, dass die Landschaft vor der Haustür auch von der Kaufentscheidung abhänge.
Dagegen sei auch nichts einzuwenden. Aber mit der einen oder anderen Flasche mehr vom heimischen Markt sei den Winzern schon viel geholfen. Am mangelnden Weinkonsum in Deutschland scheitere es nämlich nicht, lacht Mannschreck. Die Rebflächen hierzulande würden gar nicht ausreichen, um den deutschen Weindurst zu stillen. Nur werde der eben noch vorwiegend mit günstigen Importweinen gestillt, obwohl die Württemberger längst mithalten könnten, so der Wengerter.
Und vielleicht gewinnen sie, so hofft er, künftig noch an Qualität: Wenn sich jungen Winzerinnen und Winzern durch die Krise im Weinbau Einstiegschancen bieten und der Anbau sich auf die besten Hanglagen konzentriert – natürliche Wein(aus)lese.