Für die Ermittlungen zur Schuss-Serie in Stuttgart und der Umgebung hat sich die Polizei neu sortiert. Das gab sie in einer Pressekonferenz am Donnerstag in Stuttgart mit BW-Innenminister Thomas Strobl (CDU) bekannt. Zum neuen Konzept gehört demnach, dass das Landeskriminalamt (LKA) künftig alle Ermittlungen speziell rund um die Führungsriege der rivalisierenden Gruppen übernimmt. Diese Führungspersonen sind laut Innenministerium "spielentscheidend" in dem Konflikt.
Rivalisierende Gruppen umfassen rund 550 Personen
Die umliegenden Polizeipräsidien kümmern sich dagegen um die "weitläufigen Umfeldermittlungen der Gruppen", hieß es in der Pressekonferenz. Sie kümmern sich also um die Mitläufer und Unterstützer der Gruppen. Dafür sollen zum Beispiel Personen und Autos kontrolliert sowie weiterhin Razzien in Gaststätten durchgeführt werden. Außerdem wollen das LKA und die Polizeipräsidien künftig noch enger zusammenarbeiten. Sie haben dafür vor zwei Wochen eine Art Sonderkommision mit 135 Polizistinnen und Polizisten gebildet. An der Veranstaltung am Donnerstag nahmen dementsprechend auch Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz und der Präsident des Landeskriminalamts (LKA), Andreas Stenger, teil. Das Innenministerium kündigte an, man wolle den Druck auf die rivalisierenden Gruppen erhöhen.
Schuss-Serie in der Region Stuttgart: Wer sind die Täter?
Bereits seit über einem Jahr sorgt Waffengewalt in der Region Stuttgart für Aufsehen. Ermittlerinnen und Ermittler machen rivalisierende multi-ethnische Gruppen dafür verantwortlich. Sie haben in diesem Zusammenhang mehr als 50 Verdächtige festgenommen, von denen bereits einige vor Gericht stehen.
Laut Polizei sind die Ursachen für den Konflikt meistens gegenseitige "Ehrverletzungen". Die Gruppenzugehörigkeit definiere sich zum Beispiel über das gemeinsame Aufwachsen in der Nachbarschaft. Darüber hinaus sei ein wichtiges Motto der Gruppenmitglieder "crime als Lifestyle" - eine Haltung, die sich beispielsweise im Gangster-Rap wiederfinde, so die Behörden.
Was hinter der Schuss-Serie steckt, was die jungen Erwachsenen antreibt und wie sie zu stoppen sind, darüber hat "Zur Sache! Baden-Württemberg" am 14.12.2023 berichtet:
Handgranate auf Friedhof geworfen - Prozesse vor Entscheidung
Ihren bisherigen Höhepunkt erreichte die Waffengewalt im Sommer 2023, als ein Angreifer eine Handgranate in eine Menschengruppe auf einem Friedhof in Altbach (Kreis Esslingen) warf. Ein Mann steht deshalb derzeit vor Gericht, das Urteil wird am 6. März erwartet. Die Staatsanwaltschaft fordert 13 Jahre Haft für den Angeklagten.
Zudem läuft derzeit die Verhandlung gegen fünf Besucher der Trauerfeier. Sie sollen den Tatverdächtigen nach der Explosion zusammengeschlagen und lebensgefährlich verletzt haben. Ein weiterer Prozess gegen zwei Männer wegen Schüssen auf eine Plochinger Shisha-Bar wird voraussichtlich am 7. März entschieden.
Schuss-Serie im Raum Stuttgart Handgranaten-Anschlag in Altbach: Staatsanwaltschaft fordert 13 Jahre Haft
Wollte der mutmaßliche Handgranaten-Werfer von Altbach tatsächlich Menschen umbringen? Laut Verteidigung habe es sich auch um eine Machtdemonstration handeln können. Derweil gibt es eine weitere Anklage.
Polizei: 962 Spuren, 115 gefundene Waffen, 2.500 kontrollierte Personen
Bei der Pressekonferenz am Donnerstag ging die Polizei näher auf ihre bisherigen Ermittlungen zur Schuss-Serie ein. Sie nannte dabei unter anderem alle Taten der rivalisierenden Gruppen - angefangen im Juli 2022 mit Schüssen in Stuttgart-Zuffenhausen aus einem Auto heraus. Zuletzt wurde im Januar in Urbach (Rems-Murr-Kreis) von der Polizei eine Handgranate sichergestellt.
Insgesamt stellte die Polizei im Rahmen der Ermittlungen nach eigenen Angaben unter anderem 115 Waffen sicher, davon 24 Schusswaffen. Es gab 138 Hausdurchsuchungen und es wurden 2.500 Personen kontrolliert, von denen 56 in Haft kamen. Außerdem gingen die Behörden demnach fast 1.000 Spuren nach.
Behörden setzen stärker auf Prävention im Umfeld der Gruppen
Darüber hinaus wollen die Behörden aber Kriminalität zugleich besser vorbeugen. Dafür will die Polizei noch mehr mit den Kommunen zusammenarbeiten. Es geht dabei laut Innenministerium darum, insbesondere junge Menschen aus dem Umfeld der Gruppen zu erreichen. So soll verhindert werden, dass sie in kriminelle Strukturen abrutschen.
Nach den Erkenntnissen der Ermittler gibt es derzeit abgesehen von den Ereignissen in der Region Stuttgart keine vergleichbaren Gruppenkonflikte in Baden-Württemberg. Um mitzubekommen, falls sich das ändern sollte, hat das LKA nun eine Art Frühwarnsystem eingerichtet. Jedes halbe Jahr gibt es demnach eine Erhebung zu Gruppenkonflikten im Land.