Behörden beschäftigen sich mit dem Fall der Pfarrerin Petra Frey aus Ingersheim (Kreis Ludwigsburg), die von einem Supermarktbetreiber angezeigt wurde. Mitte Oktober holte sie aus dessen Müllcontainer eine Tüte Milch heraus, die noch zwei Wochen vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum lag, wie Frey berichtet. Sie wurde erwischt, ebenso bei einem erneuten Versuch zwei Wochen später. Der Supermarkt erstattete Anzeige wegen Hausfriedensbruchs und Diebstahls, wie das Polizeipräsidium Ludwigsburg dem SWR bestätigte.
Pfarrerin will Lebensmittel retten
Die Pfarrerin holt jede Woche aus fünf Lebensmittelgeschäften in Ingersheim und Bietigheim-Bissingen ausgemusterte, aber noch genießbare Lebensmittel ab. Mit den Geschäftsinhabern hat sie dazu eine Vereinbarung getroffen. Als der SWR Petra Frey an einem Tag begleitet, warten im Geschäft von Thomas Auracher in Ingersheim beispielsweise mehrere große Kisten. Darin befinden sich zum Beispiel eine Dose Kaffeepulver ohne Deckel, das trotzdem noch vakuumverpackt ist, Sojamehl, Eier oder abgepacktes Brot.
Auch Thomas Auracher gibt die Lebensmittel, die er nicht mehr verkaufen kann, gerne an sie weiter: "Ich komme selber aus der Landwirtschaft und weiß Lebensmittel sehr zu schätzen. Verschwendung - das geht gar nicht", sagt der Ladeninhaber dem SWR.
Anzeige des Supermarkts wegen Diebstahls
Während die fünf Geschäfte in der Umgebung einverstanden sind, an Petra Frey Lebensmittel abzugeben, hatte sie von einem anderen Supermarkt keine Erlaubnis bekommen, dort zu "containern", wie man das Herausholen von Lebensmitteln auch nennt.
Pfarrerin fordert: Containern legalisieren
Petra Frey weiß, dass sie mit ihrer Aktion dort gegen das Gesetz verstoßen hat. "Ich weiß ja, dass es nicht legal ist, halte es aber trotzdem für legitim." Sie wolle mit ihrem Handeln einen gesellschaftlichen Diskurs anstoßen, der sich auch auf politisches Handeln auswirkt. "Ich denke, dass in der Politik noch einiges geregelt werden muss. In Frankreich ist es zum Beispiel verboten, Lebensmittel wegzuwerfen. Deshalb müssen die Geschäfte diese Lebensmittel denen zur Verfügung stellen, die sie nehmen wollen", so Frey.
Petra Frey gründete eine Art Tafel in Ingersheim
Vor zweieinhalb Jahren hat Petra Frey die lokale Initiative "Zu gut für die Tonne" ins Leben gerufen. Mittlerweile retten die Ehrenamtlichen nach eigenen Angaben durchschnittlich rund 50 Kilogramm Lebensmittel. Sobald die Ware aus den Supermärkten im Hof des Pfarrhauses angekommen ist, werden Interessierte informiert. Jede und jeder ist willkommen, die Zustimmung ist groß: "Bei uns kommt fast nichts mehr auf den Tisch, wo nicht etwas Gerettetes dabei ist", erzählt eine Frau, die Lebensmittel abholt, dem SWR. Eine Mutter mit zwei Kindern füllt sich eine große Tragetasche mit Essen und freut sich über Petra Freys Engagement: "Wir haben jede Woche viel gutes Essen."
Pfarrerin: Lebensmittel sind nichts für die Tonne
Nimmt Petra Frey mit ihrem Engagement den Tafeln das Essen weg? "Nein", sagt sie. Die Mengen an Lebensmitteln, die sie beispielsweise im Geschäft von Thomas Auracher holt, seien zu gering für die Tafel, sagen Frey und Auracher. Daher bestehe hier keine Konkurrenz. Wenn am Ende alle Lebensmittel verteilt sind, ist auch Pfarrerin Petra Frey zufrieden. "Ich weiß, die Leute genießen das und freuen sich daran. Und ich freue mich, dass die Sachen nicht in der Tonne landen."