Die Stadt Ludwigsburg setzt erstmals künstliche Intelligenz (KI) im Kampf gegen zu viele Krähen rund um die Innenstadt-Schulen ein. Dadurch sollen sich dort weniger Krähen aufhalten und damit die Schulen entlastet werden. Doch die Technik soll nur kurze Zeit eingesetzt werden.
- Wie funktioniert die KI gegen Krähen?
- Inwiefern sind die Krähen ein Problem für die Schulen?
- Warum nimmt die Zahl der Krähen zu?
- Was unternimmt die Stadt Ludwigsburg außerdem gegen die Krähen?
- Können Krähen mit Greifvögeln vergrämt werden?
- Wieso wird die KI ab dem 1. März ausgeschaltet?
- Welche Erfahrungen gibt es mit der KI?
KI gegen Krähen: Aus einem Lautsprecher kommen Warnrufe
Die neue Vogelabwehr ist ein schwarzer Kasten, der etwas kleiner als eine Bierkiste ist und sich seit Anfang Februar auf dem Turm des Mörike-Gymnasiums befindet. Am Geländer wurden zwei Lautsprecher und ein Mikrofon angebracht. Registriert das System eine größere "Krähenaktivität", indem mehrere Krähen in der Nähe Lärm machen, kommen Krähen-Schreck- und Warnrufe aus den Lautsprechern. Damit sollen die Vögel vertrieben werden.
Dabei arbeitet das System laut Stadtverwaltung mit Algorithmen, die selbstlernend sind. Das Ziel sei es, immer cleverer als die Krähen zu sein, so Mira de Waard von dem Unternehmen Ornitec, das das Abwehrsystem BirdAlert vertreibt. Denn einfach nur aufgenommene Krähen-Warnrufe abzuspielen, würde bei so cleveren Vögeln zu einer Gewöhnung führen. Außerdem würden sie den Trick wohl mit der Zeit durchschauen, wenn sie zwar akustisch durch die Lautsprecher eine ganze Krähenschar vorgegaukelt bekämen, obwohl die zu dem Zeitpunkt gar nicht da ist.
Deswegen passt sich das Gerät der Situation an. Nimmt es also beispielsweise nur wenige junge Krähen wahr, simuliert es nicht Warnrufe einer ganzen Krähen-Kolonie mit vielen älteren Vögeln. Auch variiert die KI immer wieder die Töne und ruft auch nicht Vögeln nach, wenn sich alle Tiere bereits entfernt haben.
Schulleiterin: Dreck und Kot werden ins Schulhaus getragen
Sylvia Jägersberg leitet das Mörike-Gymnasium in Ludwigsburg. Von ihrem Fenster aus hat man einen guten Blick auf prächtige Platanen. Sie liebt die alten Bäume, sagt sie. Aber es gebe Zeiten, da sei ein Gespräch mit offenem Fenster unmöglich. Und der Lärm von krächzenden Vögeln sei nicht einmal das Schlimmste. Der Schulhof sei während des Nestbaus und der Brutzeit verschmutzt. "Der Dreck und Kot werden auch ins Gebäude getragen." Auch die nicht überdachten Fahrradständer müssten eigentlich täglich abgespritzt werden. Doch wer könne das leisten und bezahlen?
Es kam sogar schon vor, dass ein Vater zu ihr kam, weil der Sohn an einem Tag zweimal von Krähen-Kot "getroffen" worden sei. 1.300 Schülerinnen und Schüler besuchen allein das Mörike-Gymnasium. Dazu kommen die anderen Schulen des sogenannten Innenstadt-Campus sowie der benachbarte Gebäudekomplex "Solitude 24" mit mehreren Arztpraxen - auch dort spricht man von einer Krähen-Plage.
Immer mehr Nester und immer mehr Krähen
Das Krähen-Problem rund um die Ludwigsburger Innenstadt-Schulen ist nicht neu, aber es spitzt sich offenbar zu. Denn wurden vor einigen Jahren noch rund 40 Nester gezählt, berichtet Schulleiterin Jägersberg von zuletzt mindestens 140.
Konrad Gaus vom Naturschutzbund NABU hat dafür eine einfache Erklärung: Die Zahl der Saatkrähen in der Region nimmt seit längerem generell zu - und wo Schülerinnen und Schüler sind, gibt es auch viele Pausenbrote. Essensreste fallen herunter oder werden weggeschmissen - für die Rabenvögel kann Nahrungssuche kaum einfacher sein.
Auch die Platanen rund um die Schulgebäude werden von den Saatkrähen gern genutzt. In den Kronen können sie ihre Nester bauen. Die Bäume wurden zwar zurückgeschnitten, aber das habe keinen durchschlagenden Erfolg gebracht, teilt die Stadtverwaltung mit.
Dass die Stadt weiter an dem Thema dranbleibt und nun mit der KI versucht, das Krähen-Problem in den Griff zu bekommen, begrüßt die Schulleiterin. Sie weiß auch, dass Krähen besonders schlaue Vögel sind. Die Schulleiter versucht es deshalb mit Selbstironie: "Egal was man tut, als Homo sapiens ist man unterlegen."
Was unternimmt die Stadt Ludwigsburg außerdem?
Da jedes Pausenbrot auf dem Boden für die Saatkrähen ein gefundenes Fressen ist, will die Stadtverwaltung entsprechend informieren. Außerdem reinige städtisches Personal die Wege täglich mit Kehrmaschinen, teilt die Verwaltung mit.
Zudem plant die Stadtverwaltung eine temporäre Segelüberdachung der Fahrrad-Abstellplätze sowie der Parkplätze für Autos, um diese künftig vor weiterer Verschmutzung zu schützen.
Forderungen an Landesregierung Bauernverband: Immer größere Ernteschäden durch Krähen in BW
Bauern in Baden-Württemberg beklagen immer häufiger Schäden auf ihren Feldern, die durch Krähen verursacht werden. Teilweise sind diese sogar existenzgefährdend.
Können Krähen mit Falken oder anderen Greifvögeln vergrämt werden?
Auch in der Stadt Laupheim (Kreis Biberach) gab es massive Probleme mit Saatkrähen. Dort wurden Greifvögel zur Vergrämung eingesetzt und weil der Einsatz Erfolg hatte, wurde die Maßnahme zuletzt verlängert. Das Landratsamt Ludwigsburg sieht das aber offenbar nicht als Lösung für die Krähenplage: Denn Saatkrähen erkennen sehr schnell Muster und könnten sich an die Greifvögel gewöhnen. "Der Aufwand für Falkner ist daher sehr hoch. Im konkreten Fall ist der Einsatz von Greifvögeln aufgrund des Vorkommens im innerstädtischen Bereich kritisch."
KI muss zum 1. März ausgeschaltet werden
Vor allem im Frühjahr sind die Saatkrähen rund um die Ludwigsburger Innenstadt-Schulen aktiv. Doch genau dann muss die KI ausgeschaltet werden. Das Landratsamt hat die "akustische Vergrämung" bis zum 29. Februar genehmigt. Anschließend sei diese bis Ende August auszuschalten, weil dies der Zeitraum der Brut und Jungenaufzucht auch anderer Vogelarten wie beispielsweise von Dohlen sei.
Unternehmen Ornitec: Gute Erfahrungen mit der Krähen-Abwehr
Auch in anderen Bundesländern muss die KI ausgeschaltet werden, wenn die Vögel brüten, heißt es beim Unternehmen Ornitec in Schleswig-Holstein, das das Vogelabwehr-System seit drei Jahren in Deutschland sowie beispielsweise in der Schweiz, Italien und Kroatien vertreibt. Trotzdem habe man sehr gute Erfahrungen gemacht. Ornitec berichtet von Krankenhäusern, Kindergärten und Industrieanlagen, die massive Probleme mit zu vielen Vögeln hatten, aber mithilfe der KI könnten die Einrichtungen nun wieder normal genutzt werden.