Mitte März tauchen zwei Revolver samt Munition bei einer Putzaktion in einem Nürtinger Park auf, die Polizei Reutlingen ermittelt. Nur eine Woche später macht ein Magnetangler im Stuttgarter Neckar eine ähnliche Entdeckung. Im ersten Fall ermittelt die Polizei, im zweiten hat sich das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg eingeschaltet.
Zwei Pistolen samt Munition, eingewickelt in eine Plastiktüte - diesen dubiosen Fund macht Markus Kronenwett zufällig an einem Samstag Ende März nahe des Max-Eyth-Sees in Stuttgart. Er ist wie immer mit seiner Magnetangel unterwegs, um Gewässer von Metallschrott zu befreien. Was er dann in den Händen hält, lässt ihm ganz anders werden.
Rund zehn Tonnen Schrott zieht der Magnetangler aus dem Kreis Ludwigsburg jährlich aus Gewässern der Region. Den Erlös vom Schrotthändler - immerhin 100 Euro pro Tonne - spendet er. Ein Hobby, das er gemeinsam mit seinen Söhnen in der Coronazeit begonnen hat.
Derartiges hat Kronenwett allerdings noch nie in der Hand gehalten. Historisch scheinen die Revolver nicht zu sein. Allein der Fundort und die Plastiktüte lassen ihn stutzen: Handelt es sich hier um Tatwaffen eines aktuellen Verbrechens? Hat jemand sie von der Brücke geworfen, um sie verschwinden zu lassen?
LKA prüft Zusammenhang mit Bandenkriminalität
Sofort informiert der Hobby-Umweltschützer die Polizei Stuttgart, die den Waffenfund sichert. Das LKA übernimmt die Ermittlungen. Denn ein Zusammenhang mit der Schuss-Serie im Großraum Stuttgart scheint möglich. Dem werde seit Beginn der Bandenkriminalität vor rund zwei Jahren immer nachgegangen, sobald irgendwo herrenlose Waffen auftauchen, erklärt LKA-Sprecher Jürgen Glodek.
Einige Schusswaffen in Zusammenhang mit der Gewaltserie seien noch nicht sichergestellt. Mehr als 60 Verhaftungen gab es bereits. Insgesamt sind laut LKA etwa 500 Personen in die Bandenstreitigkeiten verwickelt. Von jedem Fund erhoffen sich die Ermittelnden Hinweise, die zur weiteren Aufklärung beitragen können.
Waffenanalyse soll Klarheit bringen
Eine aufwändige kriminalistische Untersuchung beginnt. Waffenspezialisten des LKA befreien die Fundstücke vorsichtig von Rost, dann zerlegen sie sie in ihre Bestandteile. Herstellerangaben, Waffennummer und Beschusscodierung werden untersucht, um Alter, mögliche Herkunft und Funktionsfähigkeit zu ermittelt. Dann wird Probe geschossen, denn jede Pistole hinterlässt ihren eigenen "Fingerabdruck": Der Lauf verursacht durch sein individuelles Zugfeldprofil ebenso einzigartige Spuren auf der Patrone, wie der Schlagbolzen, der beim Zünden auf die Patrone trifft.
Der Schusswaffenerkennungsdienst des Bundeskriminalamtes (BKA), bei dem die Beschusse als nächstes landen, kann dann in seinen Datenbanken abgleichen, ob die Waffen schon einmal bei einem Verbrechen zum Einsatz kamen oder illegal im Umlauf waren. Bis erste Ergebnisse vorliegen, kann es einige Wochen dauern.
Der Neckar: Nicht das beste Versteck für illegale Waffen
Obwohl die beiden Pistolen im Wasser lagen: Auch DNA-Spuren, Haare oder Fingerabdrücke können noch erhalten sein. Davon erhoffen sich die Ermittler Rückschlüsse auf Besitzer oder mutmaßlichen Täter. "Viele Leute meinen", so Glodek, "wenn sie Waffen in Gewässern entsorgen, dann sieht man die nicht mehr. Falsch gedacht!"
Häufig sind derartige Funde nicht. Erfahrungsgemäß, meint Glodek, ungefähr alle halbe Jahr einmal. Meistens tauchen die Waffen dann bei Renovierungs- oder Gartenarbeiten oder durch Bodenfunde im Wald auf.
Außergewöhnlich allemal für Markus Kronenwett. Ganze Fahrräder, Zylindermotoren, Fahnenstangen und Rollstühle hat er schon aus dem Wasser gezogen - dass er mal in eine polizeiliche Ermittlung geraten würde, hätte er nicht gedacht.
Trotzdem freut sich Kronenwett, wenn er mit seinem Hobby nicht nur für die Umwelt etwas Gutes tut, sondern vielleicht sogar dabei geholfen hat, ein Verbrechen aufzuklären.