Die Zahl der Opfer von häuslicher Gewalt lag im Jahr 2022 bei 240.547 und ist damit um 8,5 Prozent im Vergleich zum Jahr 2021 gestiegen. Das zeigt das Lagebild, das am vergangenen Dienstag von Bundesinnenministerium und Bundeskriminalamt vorgestellt wurde. Die Dunkelziffer dürfte allerdings weit höher liegen.
Gedemütigt, beleidigt, geschlagen: Betroffene erzählt
Eine der Betroffenen ist Bettina Meier. Sie heißt eigentlich anders, möchte jedoch anonym bleiben. Schon kurz nach ihrer Hochzeit wurde sie von ihrem Ehemann gedemütigt und beschimpft, erzählt sie. Als sie ihren Ehemann darum bat, im Haushalt mitzuhelfen, schlug er brutal zu - immer wieder, bis sie blutete. Erst dann hörte er auf. Die junge Frau wählte den Polizei-Notruf, musste ins Krankenhaus und operiert werden. Ihre Nase war gebrochen. Auch psychisch war das schwer für sie.
Die Zeit danach habe sie sich sehr einsam gefühlt. "Man hatte sich was aufgebaut", erklärt die junge Frau. "Das kaputt zu sehen. Damit hatte ich schon zu kämpfen.“ Hilfe und Rückhalt fand Meier bei ihrer Familie und in der Beratungsstelle des Vereins "Frauen helfen Frauen" in Esslingen. Inzwischen wohnt sie bei ihren Eltern. Dort fühle sie sich sicher.
Dank Beratung rechtliche Konsequenzen für Ehemann von Betroffener
Meiers Ehemann hat per Gerichtsbeschluss Kontaktverbot. Er darf weder anrufen, Briefe oder E-Mails schreiben noch anderweitig Nachrichten an sie schicken. Meier hatte ihn wegen Körperverletzung angezeigt und die Scheidung nach drei Jahren Ehe eingereicht. Geschafft habe sie das nur mit der Hilfe von Sozialarbeiterin Semrah Dogan, sagt sie.
Sozialpädagogin: Täter bei häuslicher Gewalt werden brutaler
Semrah Dogan begleitet seit mehr als 20 Jahren Opfer häuslicher Gewalt. Ihre Klientinnen seien aus allen Schichten, so die Sozialpädagogin. Sie warnt: Ob körperliche, psychische, ökonomische oder soziale Gewalt - die Täter werden brutaler. Es gebe Männer, die Frauen die finanziellen Mittel streichen und sie in die Wohnung sperren. Das sei die soziale Gewalt, so Dogan.
"Wir hatten auch schon Fälle, wo die Frau wirklich in der Wohnung mehr oder weniger eingesperrt war. Nicht an Essen, Trinken kam. Die Übergriffe werden grenzenloser. Bis hin, dass die Frauen Todesängste haben oder schwer verletzt werden. Das nimmt zu", so Dogan.
Frauenhaus in Esslingen muss Frauen und Kinder aus Platzmangel abweisen
Im vergangenen Jahr wurden in der Beratungsstelle in Esslingen 202 Frauen beraten. Doch der Bedarf ist höher. Mehr als 150 Frauen und Kinder mussten vom Frauenhaus der Einrichtung abgewiesen werden, weil es keinen Platz mehr gab.
Sozialpädagogin Dogan sagt: "Wir brauchen mehr Plätze insgesamt, Frauenhausplätze. Wir brauchen eine bessere Ausstattung der Beratungsstellen. Es gibt ‚weiße Flecken‘ in ländlichen Regionen, wo es gar keine Beratungsstellen gibt für Frauen, die häusliche Gewalt erleben."