In Ebersbach/Fils wirft die Mehrzahl der Mieter einem neuen Eigentümer von vier Mehrfamilienhäusern vor, während der kalten Jahreszeit zu wenig für die Sanierung ihrer Wohnungen zu unternehmen. Der Deutsche Mieterbund vermutet dahinter ein Modell, das man von Spekulanten kenne: Der Eigentümer wolle die Mieter wohl aus den Wohnungen drängen. Ein Vertreter des neuen Eigentümers weist die Vorwürfe hingegen zurück.
Mieter wie Hasan Inescu, der seit 30 Jahren mit seiner Frau in einer der Wohnungen lebt, empfinden es mittlerweile als Zumutung. Das Licht im Treppenhaus funktioniere nicht, weshalb er sich nachts schon mal heftig den Kopf gestoßen habe, erzählt er dem SWR. Die Fenster im Wohnzimmer sind neu, doch drumherum sei nichts abgedichtet und isoliert. Die Kälte ziehe ungehindert rein, kritisiert er.
Im November "war es besonders schlimm"
Insgesamt geht es um vier Mehrfamilienhäuser, sogenannte Gastarbeiter-Häuser der ehemaligen Firma Südrad in Ebersbach an der Fils (Kreis Göppingen), die in den 1960er-Jahren gebaut wurden. Im Frühjahr 2022 sind die Betriebswohnungen auf dem ehemaligen Südrad-Areal an einen neuen Eigentümer verkauft worden.
Bei Mehmet Ali Özcan im Haus solle eine neue Heizung rein, eine Wärmepumpe, schildert dieser Mieter. Die alte sei im Oktober ausgebaut worden, die Rohre im Keller abgeschnitten. Seither müsse er mit seiner Familie ohne Heizung und Warmwasser auskommen. Ein Eimer steht neben der Badewanne. Den, gefüllt mit Warmwasser, benutze er zum Duschen. Auf die Frage, wie sie heizen, sagt er dem SWR "mit Strom". Zwei selbst gekaufte Elektroheizungen stehen im Wohnzimmer. Eine weitere in einem anderen Zimmer.
Dass diese Elektroheizungen viel Strom brauchen, sei ihm bewusst. Momentan, sagt er, bezahle er 80 Euro für Strom im Monat. Wie hoch die Nachzahlung ausfallen wird, wisse er noch nicht. Aber was wäre die Alternative? Im November, in den Wochen mit Minus-Graden, sei es besonders schlimm gewesen. Das schildert uns auch Thomas Tellge, ein weiterer Mieter in dem Haus, in das die Wärmepumpe eingebaut werden soll.
Neue Investor weist die Vorwürfe zurück
Berkay Dogan, der Vertreter des neuen Investors, die Gesellschaft "Projekt Ebersbach Daimlerstraße GmbH", weist im Gespräch mit dem SWR alle Vorwürfe zurück.
Ein paar wenige Mieter hätten Interesse an diesem Angebot gehabt und haben wohl schriftlich geantwortet. Es gab aber laut Thomas Tellge keine Rückmeldung vonseiten des Vermieters. Dem SWR gegenüber haben einige Mietparteien gesagt, sie hätten das Unternehmen immer wieder versucht zu erreichen, um zu sagen, was alles nicht funktioniere, es sei aber nur das Band gelaufen.
Mieterbund: Geschäftsmodell von Spekulanten
Eine Mietminderung, wie es in solchen Fällen üblich ist, mache laut Deutschem Mieterbund in dem Fall keinen Sinn. Die Mieten seien sehr niedrig. Das bestätigt auch der Investor. Im Durchschnitt würde die Miete derzeit bei 2,50 Euro kalt pro Quadratmeter liegen. Udo Casper, Vorsitzender vom Deutschen Mieterbund Esslingen-Göppingen, sei solch ein Fall in seiner Beratung noch nicht untergekommen. In der Peripherie der Region Stuttgart habe er sowas nicht vermutet. Er erhebt einen schwerwiegenden Vorwurf: "Das ist ein Geschäftsmodell von Spekulanten, das wir aus Großstädten kennen, die Miethäuser kaufen, die Mieter verdrängen und dann die Wohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln, um die mit möglichst großem Profit zu verkaufen", sagt Casper. Es deute alles darauf hin, die Mieter aus ihren Wohnungen zu drängen.
Vermieter: Monatelanges Warten auf Wärmepumpen
Berkay Dogan, Vertreter der Gesellschaft "Projekt Ebersbach Daimlerstraße GmbH", äußert sich zu den Vorwürfen dem SWR gegenüber schriftlich wie folgt:
"Dies ist ein schwerwiegender Vorwurf und eine subjektive Behauptung. Gerne sind wir bereit die Bestellung des Ersatzteils zu zeigen (ein defekter Regler). Die Heizanlage ist über 20 Jahre alt. Es ist in der jetzigen Situation sowieso schon schwierig an Ersatzteile zu kommen, besonders im Bereich Sanitär und Heizanlagen. Wir warten ebenso auf die acht bestellten Wärmepumpen (seit über acht Monaten). Außerdem haben wir den drei betroffenen Mietern, elektrische Heizkörper angeboten. Diese wurden teilweise abgelehnt."
Und er betont, dass er kein Interesse an einer Mietrendite habe.
Keine Hilfe bei der Stadt
Die beste Lösung wäre, die Häuser in kommunale Hand, an eine Genossenschaft oder ein kommunales Bauunternehmen zu geben. Doch die Stadt habe nicht die finanziellen Mittel, um hier in den Wohnungsbau zu investieren, so Bürgermeister Eberhard Keller (SPD).
Dem Ehepaar Unger, das seit 60 Jahren in ein und derselben Wohnung lebt, ist die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Bei ihnen funktioniere zwar die Heizung, aber die Fenster seien neu und nicht abgedichtet. Es ziehe wie Hechtsuppe. Und was auch noch dazu komme: Die neuen Rollläden seien elektrisch, aber die Handwerker hätten keine Fernbedienung eingebaut. Die habe das Ehepaar jetzt selbst gekauft und angeschlossen, damit sie wenigstens die Rollläden hoch und runter fahren können.
"Was sollen wir machen?", fragt die 84-jährige Frau Unger ganz frustriert und antwortet selbst: "Frieren und aufs Sterben warten."