Gert Wiedemann verkauft in seiner Werkstatt in Eislingen an der Fils Dreiräder. Keine gewöhnlichen, sondern sogenannte Therapie-Dreiräder für Menschen mit Einschränkungen wie Multiple Sklerose, Parkinson oder einer Querschnittslähmung. Der 71-Jährige bezeichnet sich selbst als "Freizeit-Rentner" und kann als gelernter Maschinenbauer seine Kundinnen und Kunden fachkundig beraten. Die Bikes werden in Zusammenarbeit mit Ärzten, Therapeuten und Forschern aus Reha-Zentren entwickelt.
Therapie-Räder: Für Betroffene mehr Lebensqualität
Die hochentwickelte Elektronik ermöglicht es Menschen mit Einschränkungen wieder Fahrrad zu fahren. Die Therapie-Räder sind eine Kombination aus Liegerad und Handbike und können sowohl mit den Armen als auch mit den Beinen gefahren werden. Dadurch ist es auch für Querschnittsgelähmte möglich, durch Handbewegungen mit dem Rad zu fahren. Sobald an der Handkurbel gedreht wird, bewegen sich die Fußpedale automatisch mit. Je nach Krankheit oder Bewegungseinschränkung empfiehlt Gert Wiedemann ein spezielles Rad, angepasst auf die Bedürfnisse seiner Kundinnen und Kunden.
Julia Tänzler: Für sie ist Fahrrad fahren mit dem Therapie-Rad wieder möglich
Nach einer Gehirnblutung lag Julia Tänzler im Koma. Danach hatte sie eine halbseitige Lähmung und erhebliche Sprachprobleme. Als sie nach ihrem Besuch in der Reha-Klinik wieder Laufen konnte, ist sie wieder selbstständig mit Bus und Bahn gefahren. Doch eine Sache wollte sie unbedingt: Fahrrad fahren. Also hat sie recherchiert und ist auf die Therapie-Räder von Gert Wiedemann in Eislingen an der Fils gestoßen. Seitdem kann sie wieder Fahrrad fahren und ist darüber überglücklich.
Mittlerweile fährt Julia Tänzler seit sechs Jahren mit dem Dreirad. Was für sie damals undenkbar war, ist seitdem für sie möglich: Allein einkaufen oder zu einem Termin fahren. Für sie bedeutet Fahrrad fahren wieder mehr Freude am Leben.
Bessere Lebensqualität, bessere Gesundheit
Fachärzte sprechen mittlerweile davon, dass sich Personen mit Einschränkungen mit den Bikes wieder zurück ins Leben kämpfen konnten. Das liegt laut Gert Wiedemann unter anderem an der Sitzposition in dem Rad. Man sitze nicht wie bei einem normalen Fahrrad über, sondern hinter den Pedalen, so Wiedemann. Dadurch könne man während des Fahrens seine Beinbewegungen sehen. Diese optische Wahrnehmung fördere die neurologische Entwicklung und verbessere das Gleichgewicht der betroffenen Menschen. Die Kosten für die Räder werden teilweise von der Krankenkasse übernommen.
Für Gert Wiedemann eine Herzensangelegenheit
Für den "Freizeit-Rentner" ist seine Tätigkeit in der Werkstatt nicht mehr aus seinem Leben wegzudenken. "Die Freude der Kundschaft ist nicht mit Geld zu bezahlen", erzählt Wiedemann. Er verbindet damit viele positive Emotionen. "Solange ich mich selbst bewegen kann und der Kopf mitspielt, möchte ich das weitermachen", beschreibt er. Und falls er irgendwann aufhören muss, ist eine Übernahme schon gesichert. Denn dann wird sein Sohn den Alb Store in Eislingen übernehmen.