"Echte Schwaben ziehen um" - Das steht ab sofort auf Plakaten in Stuttgart, mit denen der Berliner Senat für den Umzug in die Bundeshauptstadt wirbt. Die Aktion ist Teil einer bundesweiten Image-Kampagne. In Berlin selbst wird unter anderem mit "Wir können unfreundlich, aber auf die nette Art" plakatiert. Die gesamte Kampagne kostet 1,5 Millionen Euro. Sie besteht aus Slogans, die für Berlin selbst entwickelt wurden und solchen, die anderswo in Deutschland und Europa genutzt werden. Der Berliner Senat erklärt den Sinn der Kampagne so: "Mit verschiedenen Botschaften spricht sie selbstironisch die Herausforderungen der Stadt an und gleichzeitig die Vorteile als international renommierter Standort für Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft."
OB Nopper: "Echte Schwaben ziehen an, nicht um"
Auf SWR-Anfrage reagierte der Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) auf die Kampagne aus Berlin mit Humor: "Echte Schwaben ziehen nicht um, echte Schwaben ziehen an - auch Berlinerinnen und Berliner! Stuttgart ist und bleibt die Hauptstadt aller Schwabenherzen. Spätestens seit der Fußball-WM 2006 wissen alle: Stuttgart ist viel schöner als Berlin." Diesen Slogan hatten Fußball-Fans 2006 intoniert, als die deutsche Nationalmannschaft im Endspiel statt in Berlin in Stuttgart gegen Portugal gewann und damit auf Platz drei landete.
Ein Sommermärchen auch für das Stuttgart-Marketing, das die Erinnerung daran auch im Zuge der diesjährigen EURO 2024 wiederbelebte. Und nicht zuletzt EM-Turnierdirektor Philipp Lahm sprach bei jeder Gelegenheit davon, dass Stuttgart viel schöner als Berlin sei. Von Seiten der Stadtverwaltung hieß es weiter, wer mit offenen Augen durch die Stadt Stuttgart gehe, sehe viele Gründe, warum es bis heute in Stuttgart viel schöner ist als in Berlin.
Wochenrückblick Stuttgart Nach Ausschreitungen am 1. Mai: Ist Stuttgart das neue Berlin?
Der Tenor in den bundesweiten Medien zum 1. Mai: In Berlin war es ruhig. In Stuttgart hingegen gab es Ausschreitungen. Auch in anderen Punkten überholen die Schwaben inzwischen die Berliner.
Autor Florian Werner: Schwaben-Hass in Berlin schon fast Folklore
Der Spruch "Echte Schwaben ziehen um" soll vor allem in Stuttgart plakatiert werden. Der 'Beef' von Stuttgart mit Berlin währt schon lange. Auf die Animositäten wird immer wieder angespielt, vor allem in Image-Kampagnen und bei Publikationen. Zuletzt hatte der Autor Florian Werner sich diesem Thema in seinem Buch "Der Stuttgart-Komplex" gewidmet. Auf die neue Kampagne angesprochen, sagte er am Donnerstag dem SWR: "Ich werde immer etwas hellhörig, wenn behauptet wird, jemand sei ein echter Schwabe, ein echter Berliner oder ein echter Deutscher. Das ist natürlich Quatsch." Und lachend fügt er an, dass die Tatsache, dass Schwaben gerne umziehen, schon seit den Auswanderungswellen des 18. und 19. Jahrhunderts bekannt sei. Wenn man aus Stuttgart wegziehe, so Werner, dann auch eher ins Umland als nach Berlin. Schwabenhass-Kampagnen in Berlin, "das ist ja schon fast Folklore".
Kann man sich solche Kampagnen sparen?
Florian Werner, der seine Kindheit und Jugend in Stuttgart verbracht hat und jetzt in Berlin lebt, zweifelt, ob es sinnvoll ist, jetzt 1,5 Millionen Euro für eine solche Kampagne auszugeben. Berlin habe viele Probleme - etwa bei fehlenden Radwegen oder schlechtem ÖPNV. Spötter behaupten, deshalb müsse man nicht nach Berlin ziehen, die gleichen Probleme gebe es auch in Stuttgart.
Sind Stuttgart und Berlin sich ähnlicher, als Klischees behaupten?
Stau auf den Straßen, schlechter Nahverkehr, Wohnungsmangel, Stress mit der öffentlichen Verwaltung - was einst gegen Berlin sprach, bemängeln mittlerweile auch viele in Stuttgart. Und auch in Stuttgart fühlen sich viele unwohl in Sachen Sicherheit. Auch diesbezüglich macht es keinen Unterschied, ob man in Stuttgart oder in Berlin lebt - so die Einschätzung vieler in den sozialen Netzwerken, wo die Berliner Kampagne seit ihrem Start heftig kommentiert wird.
"Nur für eine Million" - Junge Stuttgarter wollen bleiben
Eine SWR-Umfrage unter jungen Menschen am Donnerstag in Stuttgart zeigt - so richtig spricht die Kampagne sie nicht an. "Eine Menge Geld" würde ihn zum Umzug motivieren, sagt ein junger Mann. "Nur für eine Million" würde sie Stuttgart verlassen und nach Berlin ziehen, sagt eine junge Frau. Und viele sagen: Eine bezahlbare Wohnung zu finden und einen Studienplatz - das könnte sie umstimmen. Aber die meisten, die der SWR angetroffen hat, wollen Stuttgart nicht verlassen.
DASDING vor Ort hätte aber auch noch alternative Vorschläge für die Plakate:
Ministerpräsident Kretschmann nimmt es mit Humor
Die Berliner Image-Kampagne sieht Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) von der lustigen Seite. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Ich kann verstehen, dass Berlin etwas vom schwäbischen Erfolgsrezept abhaben möchte. Und wir Schwaben schätzen Berlin sehr. Aber am Ende klebt doch nicht umsonst überall: 'Nett hier, aber waren Sie schon mal in Baden-Württemberg?'." Dies war der Spruch der vorletzten Werbe-Kampagne für Baden-Württemberg der Landesregierung.