Besorgte Mutter ruft die Polizei

Alkohol am Steuer: Stuttgarter S-Bahn-Lokführer lässt Fahrgäste nicht aussteigen

Stand

Er fiel durch merkwürdige Durchsagen auf und ließ Haltestellen aus: Gegen einen Lokführer der S-Bahn Stuttgart wird wegen des Verdachts auf gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr ermittelt.

Ein Lokführer der Linie 60 der S-Bahn Stuttgart zwischen Stuttgart und Weil der Stadt hat am späten Donnerstagabend Haltestellen ausgelassen und Reisenden am Bahnsteig nicht die Tür geöffnet. Eine vergeblich am Bahnsteig wartende Mutter einer jugendlichen Reisenden verständigte deshalb die Bundespolizei. Die Beamtinnen und Beamten nahmen den Lokführer später fest - er war offenbar stark alkoholisiert.

Lokführer lästert in Lautsprecherdurchsage über Arbeitgeber

Laut Bundespolizei fiel der Lokführer auf der Fahrt mit Durchsagen auf, "deren Inhalt weder Bahnbezug noch sonstige Reiseinformationen für diese Strecke beinhalteten". Eine Sprecherin der Bundespolizei sagte dem SWR, es seien Durchsagen "in Bezug auf seinen Arbeitgeber gewesen, die sehr kritisch waren". Das kam einer S-Bahn-Insassin seltsam vor und sie verständigte die Polizei. Die zweite Meldung zur betroffenen S60 erreichte die Polizei von einer Mutter, die an der Haltestelle Rutesheim (Kreis Böblingen) ihre jugendliche Tochter abholen wollte. Der Zug hatte zuvor nicht wie gewohnt in Rutesheim angehalten und die Tochter aussteigen lassen, sondern war einfach durchgefahren.

Irrfahrt nach Weil der Stadt und wieder zurück

Nach Angaben der Sprecherin der Bundespolizei hatte der Lokführer der S60 gleich an mehreren Haltestellen auf dem Weg nach Weil der Stadt nicht gehalten oder hatte die Türen am Bahnsteig nicht geöffnet. Irgendwann habe er die Fahrgäste dann aber doch aussteigen lassen. In Weil der Stadt habe der Mann dann eine Schleife gefahren und sei mit der leeren Bahn wieder Richtung Stuttgart gefahren. Diese Leerfahrt war in seinem Dienstplan ursprünglich auch so vorgesehen, weil die S-Bahn in Stuttgart hätte abgestellt werden sollen, so ein Bahn-Sprecher.

Doch bis nach Stuttgart kam der betrunkene Lokführer nicht mehr. "Er hielt dann in Korntal an Gleis 3 an und hier konnte die Bundespolizei den Lokführer antreffen", so die Bundespolizei-Sprecherin. Ein Sprecher der Deutschen Bahn konkretisierte später im Gespräch mit dem SWR: Der Bahn-Notfallmanager, der inzwischen alarmiert worden war, hatte mithilfe eines Fahrdienstleiters in Korntal das Signal auf "Halt" gestellt, wodurch der Lokführer ausgebremst werden konnte.

Lokführer: Mit 2,8 Promille am Steuer

Der Lokführer sei aus dem Führerhäuschen ausgestiegen, ohne sich zu wehren. Ein freiwilliger Atemalkoholtest habe 2,8 Promille ergeben. "Seine Ausfallerscheinungen waren sichtlich erkennbar", so die Polizeisprecherin. Im weiteren Verlauf haben die Beamten wegen des hohen Alkoholspiegels einen Arzt hinzugezogen, der Lokführer kam ins Krankenhaus. Dennoch habe es der Lokführer in seiner kompletten Dienstzeit geschafft, einen Schutzmechanismus zu betätigen: Lokführer müssen alle 30 Sekunden eine spezielle technische Vorrichtung, die sogenannte Sicherheitsfahrschaltung, bedienen. Wenn sie das nicht tun, bleibt der Zug stehen.

Bahn-Zentrale könnte Oberleitung abschalten

Der Bahnexperte und Bahnberater Hans Leister sagte auf SWR-Anfrage, dass es nicht verwunderlich ist, dass der betrunkene S-Bahn-Fahrer mit seinem Zug in der Bahn-Zentrale im Stellwerk nicht aufgefallen ist. Ein Zug falle beispielsweise dann auf, wenn er ein rotes Signal überfahre. Dann werde der Zug gebremst. Eine extreme Maßnahme sei zum Beispiel, die Oberleitung abzuschalten. Wenn ein Zug jedoch einfach nur schneller im Fahrplan unterwegs sei, dann sei das im Stellwerk kein Gefahrenkriterium, so Leister.

Der Lokführer hatte gegenüber der Bundespolizei angegeben, bereits mittags alkoholisiert gewesen zu sein, als er um 13:38 Uhr sein Dienst antrat. Bei ihm selbst oder im Führerhäuschen der S-Bahn wurde jedoch kein Alkohol gefunden. Gegen den 43-Jährigen wird nun wegen des Verdachts auf gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr ermittelt.

Bahn: Mitarbeitende müssen regelmäßig Gesundheitschecks machen

Laut Deutscher Bahn wird der Mitarbeiter bis auf weiteres nicht mehr im Fahrbetrieb eingesetzt. Nach einem solchen Vorfall werde der Triebfahrzeugführerschein des Mitarbeiters sofort eingezogen und dem Eisenbahnbundesamt übergeben. Generell sei Alkoholkonsum überall im Unternehmen tabu, so die Bahn. An allen Arbeitsplätzen gelte eine Null-Promille-Regelung. Regelmäßig müssten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Gesundheitschecks machen.

Weitere Nachrichten rund um die S-Bahn-Stuttgart

Stuttgart

Entwarnung am Mittwochabend Zugverkehr nach Brand in Stuttgarter S-Bahn-Station wieder frei

Nach einem Brand in der S-Bahn-Station Feuersee in Stuttgart ist der Zugverkehr am Mittwochabend wieder freigegeben
worden. Die Ursache für das Feuer ist weiterhin unklar.

SWR Aktuell Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz SWR Aktuell

Stuttgart

Viele kranke Lokführer S-Bahn Stuttgart dünnt Fahrplan vorübergehend aus

Die S-Bahn Stuttgart zieht die Reißleine. Da außergewöhnlich viele Lokführerinnen und Lokführer krank sind, fahren weniger Bahnen. Betroffen sind mehrere Linien - bis ins neue Jahr hinein.

SWR4 BW am Vormittag SWR4 Baden-Württemberg

Stand
Autor/in
SWR

Mehr von SWR Aktuell Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent.