Die Magnolienbäume stehen in voller Blüte in dem ruhigen Karlsruher Stadtteil. Nichts lässt hier auf revolutionäre Umtriebe schließen. Und doch: Auf einem Klingelschild eines unauffälligen Wohnhauses deuten drei Buchstaben auf ebensolche Gedanken hin, denn hier soll ein "Betrieb im KRD" zu finden sein. Ein Betrieb also, der sich zum fiktiven "Königreich Deutschland" bekennt, der vermutlich größten Gruppierung sogenannter Reichsbürger.
Der Karlsruher Betrieb bietet Massagen an. Nicht nur auf dem Klingelschild, sondern auch auf seiner Webseite ist der Hinweis zu finden, man sei ein "Unternehmen im KRD" und der Hauptsitz sei "Petersplatz 6 zu Lutherstadt Wittenberg, Königreich Deutschland". Allerdings gibt es in der Stadt in Sachsen-Anhalt keinen Platz mit diesem Namen.
Aber es gibt Peter Fitzek, den Erfinder des Königreichs (Titelbild). Seit Jahren narrt der gelernte Koch und Esoteriker die Behörden. Und findet trotzdem immer mehr Anhänger. Seine fantasievolle Karriere hat ihm offenbar viel Geld und zwei Schlösser eingebracht, aber auch die Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden. Über all dies aber will die Inhaberin der Karlsruher Massagepraxis nicht reden, nicht an der Tür und nicht am Telefon - sie ist nicht die einzige.
Gelernter Koch inszeniert Reichsgründung mit Zepter und Krone
Vor rund elf Jahren erfand Peter Fitzek sein Fantasiereich, nahm in einer surreal anmutenden Szene Zepter, Reichsapfel und Krone entgegen und ließ die "Staatsgründung" aufwändig filmen. Seitdem - und vor allem seit der Corona-Pandemie - ist seine Anhängerschaft stets gewachsen: Heute sollen es nach seinen Angaben bundesweit 5.000 Anhänger sein und auch der Verfassungsschutz hält diese Zahl nur für mäßig übertrieben.
In einem Werbevideo, veröffentlicht auf der eigenen Internetplattform "KRDtube", ist zu sehen, wie Fitzeks Anhänger derzeit mehrere Schlösser in Sachsen sanieren. Sogenannte "Gemeinwohldörfer" sollen folgen, ein ganzes Reich entstehen. Für Aussteiger und Esoteriker scheint sein Angebot attraktiv zu sein - und für selbstständige Unternehmer: "Er braucht keine Steuern zu bezahlen. Er muss sich nicht erklären. Er braucht keinen Steuerberater. Er muss nicht zum Finanzamt und er kriegt keinen Ärger, er braucht keine Gewerbeanmeldung", preist Fitzek die angeblichen Vorteile von einer Firmenansiedlung in seinem Fantasiestaat.
Unternehmen bieten Dienste in einer Art Online-Branchenverzeichnis an
Für einen Malermeister im Landkreis Ludwigsburg mögen diese Behauptungen überzeugend gewesen sein. Laut Webseite ist er ein "Einzelbetrieb im Königreich Deutschland (KRD)". Ein Interview vor der Kamera lehnt er ab, doch seine Webseite verrät einiges über seine Ziele: "Als Betrieb im KRD fördern wir aktiv ein vollkommen neues Gemeinwohlwirtschaftssystem zum Wohle von Mensch, Tier und Natur." Ziele, die sich auch im Rechtsrahmen der Bundesrepublik Deutschland verwirklichen ließen. Doch der Malermeister entschied sich offenbar, die Verbindungen zur realen Welt zu kappen oder zumindest einzuschränken: Zwar fährt er einen Lieferwagen mit amtlichen Kennzeichen der BRD. Aber Aufschriften auf dem Wagen machen für jedermann klar, man arbeite "Für An- und Zugehörige im KRD".
Auf Nachfrage bei der zuständigen Handwerkskammer Stuttgart kommt heraus: Der Betrieb hat 2021 seine Löschung aus dem Handwerksverzeichnis beantragt. Hauptgeschäftsführer Peter Friedrich stellt klar: "Da gibt es keine Lücken, keinen rechtlichen Ermessensspielraum sondern es ist ein Handwerksbetrieb, der ein Handwerk ausübt und anbietet, deswegen muss er sich auch eintragen. Es gelten die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland und die Handwerksordnung ist da ganz eindeutig."
Der Malermeister bietet seine Dienste aktiv auf dem Markt an. Und zwar auf einer Art Branchenverzeichnis des angeblichen "Königreichs Deutschland" namens KaDaRi. Die Abkürzung steht für "Kauf das Richtige" und verzeichnet nach eigenen Angaben rund 350 Firmen oder Einzelpersonen. Baden-Württemberg scheint ein Schwerpunkt bei Betrieben mit Bezug zum vermeintlichen "Königreich Deutschland" zu sein.
Gemeinsamkeiten verschiedener Aussteigergruppen
Klar ist aber auch: Es gibt erkennbare Unterschiede zwischen den selbstgewählten Bewohnern von Peter Fitzeks Fantasiestaat und gewaltbereiten Gruppierungen wie etwa der mutmaßlichen "Reichsbürgerverschwörung" gegen die seit Anfang Dezember vergangenen Jahres der Generalbundesanwalt ermittelt. Die Ideologie der einen speist sich offenbar mehr aus einem esoterischen Weltbild und dem Wunsch nach einer heilen Welt, während die anderen einem revanchistischen Weltbild anhängen und das Großdeutsche Reich in irgendeiner Form zurücksehnen. Fitzeks Anhänger bezeichnen sich selbst meist nicht als "Reichsbürger".
Verfassungsschutz: "Deutliches Kennzeichen für Reichsbürgerbewegung"
Frank Dittrich, zuständiger Abteilungsleiter beim baden-württembergischen Landesamt für Verfassungsschutz sieht das anders: "Für unsere Bewertung und Zuordnung einer Gruppierung wie des 'Königreichs Deutschland' zum Reichsbürgermilieu kommt es natürlich nicht auf dessen Selbsteinschätzung an, sondern das sind letztlich Indikatoren, die ganz klar dafür sprechen. In dem nämlich in reichsbürgertypischer Manier die Existenzberechtigung, die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt wird und somit auch jegliches staatliches Handeln in Frage gestellt wird. Das ist natürlich ein deutliches Kennzeichen für eine Reichsbürgerbewegung."
Die Grenzen und Übergänge zwischen den verschiedenen Gruppierungen seien fließend. Und sie seien in den Jahren der Corona-Pandemie noch einmal verschwommener geworden, meint Verfassungsschützer Frank Dittrich: "Die Protestbewegungen gegen die staatlichen Coronamaßnahmen haben im Ergebnis zu einem Aufschwung des Reichsbürgermilieus geführt. Nicht nur in Baden-Württemberg, in ganz Deutschland. Mit dieser Vorstellung, gegen den Staat zu agieren, den Staat als solches als nicht-existent zu sehen, hat man letztlich einen gemeinsamen Nenner gefunden für Menschen, die vielleicht bislang nur eine etwas kritischere Haltung hatten."
Monarchie im esoterischen Gewand
Diese Beobachtung wird durch eine weitere Begegnung mit einer "KRD"-Anhängerin aus Baden-Württemberg gestützt. Auf dem "Kadari"-Marktplatz bietet die Frau "ganzheitliche Bestattungen" an. Zu ihren Beweggründen, ihr Unternehmen im "KRD" anzusiedeln, will sie kein Interview geben. Auf ihrer Webseite berichtet sie von ihrem Versuch, nach Panama auszuwandern, doch als auch die dortige Regierung der Bevölkerung Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie auferlegte, habe sie festgestellt, "dass der Tiefenstaat bis in den Urwald von Panama reicht" und sich - zurück in Deutschland - dem Fantasiestaat Peter Fitzeks zugewandt. Warum, das will sie am Telefon nicht erklären, verweist aber auf ein Buch mit dem Titel "Mein Besuch in einer besseren Welt".
Wie das fiktive Königreich aufgebaut sein soll
Autor ist offenbar der promovierte Mathematiker Thomas Herb aus Geislingen an der Steige (Kreis Göppingen), laut Webseite des "KRD" derzeit "Dozent an der königlichen Akademie". Dort scheint er für den ideologisch-esoterischen Überbau des "KRD" verantwortlich zu sein. In dem Roman lässt Herb einen Einwohner des Königreichs erklären, wie das "Königreich" funktionieren soll: "Es gibt neben Legislative, Judikative und Exekutive eine vierte Gewalt, die Inspektive. Sie besteht darin, alle Gesetze, alle Verwaltungsvorgänge, alle Handlungen der Regierung oder eines staatlichen Organs oder Amtsträgers auf ihre Konformität mit der Verfassung zu überprüfen und bei Verletzung sofort aufzuheben. Der Inhaber und Träger dieser Kontrollgewalt ist der König."
Die Staatsform des "Königreichs Deutschland" wäre demnach quasi eine Diktatur. Aber immerhin mit dem verlockenden Angebot, das auch die Bestattungsunternehmerin auf ihrer Webseite hervorhebt: "Es gibt für Unternehmer die Möglichkeit, im Königreich Deutschland ein steuer- und erklärungsfreies Unternehmen zu gründen. So entzieht man dem alten System friedlich die Energie und das Geld - und baut gleichzeitig ein neues 'Spielfeld' auf, das viel besser funktioniert."