Nach den jüngsten umstrittenen Äußerungen von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne, Mitgliedschaft ruht) hat sich sein Anwalt Rezzo Schlauch (Grüne) mit deutlichen Worten von ihm abgewandt. "Unmittelbar nach Kenntnis über den von Boris Palmer in Frankfurt zu verantwortenden Eklat habe ich ihm meine persönliche und meine politische Loyalität und Unterstützung sowie meine juristische Vertretung aufgekündigt", teilte Schlauch am Sonntag mit.
Schlauch: Vergleich mit Judenstern nicht zu rechtfertigen
Weiter erklärte der 75-Jährige am Sonntag über seine Internetseite: "Keine noch so harte Provokation, keine noch so niederträchtige Beschimpfungen und Beleidigungen von linksradikalen Provokateuren rechtfertigen eine historische Parallele zum Judenstern als Symbol der Judenverfolgung in Nazi-Deutschland her zu stellen."
So berichtete SWR Aktuell am Samstag (29. April) über den Eklat bei der Migrationskonferenz in Frankfurt:
Palmer zieht Vergleich mit Judenstern
Palmer hatte am Freitag mit einer verbalen Auseinandersetzung mit einer Gruppe von Protestierenden vor einer Migrationskonferenz in Frankfurt für Aufsehen gesorgt. Vor einem Gebäude der Goethe-Universität hatte er zu Art und Weise seiner Verwendung des N-Wortes Stellung bezogen.
Als er mit "Nazis raus"-Rufen konfrontiert wurde, sagte Palmer zu der Menge: "Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem Ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für Euch ein Nazi. Denkt mal drüber nach."
Debatte über N-Wort Kommentar zu Palmer-Eklat: Über mäßigende Töne wird kaum gesprochen
Tübingens OB Palmer streitet mit Studenten über das N-Wort. Sie nennen ihn Nazi, er hält den Vorwurf für ausgrenzend - "wie beim Judenstern". Eine Eskalation wie aus dem Bilderbuch, schwer auszuhalten, kommentiert Sandra Müller.
Viel Kritik an Palmers Äußerungen zum N-Wort
Als er am Freitagnachmittag im Saal der Migrationskonferenz an der Goethe Universität in Frankfurt erklärte, was vor dem Gebäude mit den Studierenden passiert war, nannte er erneut mehrfach das N-Wort. Die Leiterin der Konferenz, die Ethnologin Susanne Schröter, kritisierte Palmer. Sie könne sein Verhalten nicht verstehen. Er habe die gute Tagung zu Migrationspolitik beschädigt. Auch viele Politikerinnen und Politiker distanzierten sich von Palmers Aussagen und seinem Vergleich mit dem Judenstern.
Der Grünen-Stadtverband Tübingen verurteilte "die wiederholte Verwendung des N-Wortes und den inakzeptablen Vergleich mit dem Judenstern" durch Palmer. "Wir bedauern, dass erneut durch Aussagen von Boris Palmer viele Menschen verletzt wurden."
Dass jetzt sein langjähriger Weggefährte und Anwalt Rezzo Schlauch (Grüne) mit ihm bricht, ist ein neuer Höhepunkt. Schlauch hatte Palmer in den vergangenen Jahren im Verfahren um den Parteiausschluss als Anwalt vertreten.
Schlauch war jahrzehntelang wichtige Figur bei den Grünen
Rezzo Schlauch gilt als grünes Urgestein. Er war zehn Jahre lang Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg, ab 1994 saß er mehrere Jahre für die Grünen als Abgeordneter im Bundestag. Der inzwischen 75-Jährige war außerdem stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Partei im Bundestag. 2005 zog er sich aus der Politik zurück, arbeitete aber weiterhin als Anwalt, so zum Beispiel auch für seinen politischen Weggefährten Boris Palmer.
Die Mitgliedschaft Palmers bei den Grünen ruht seit April 2022. Der baden-württembergische Landesvorstand der Grünen hatte diesem Kompromiss im Streit um den Parteiausschluss damals zugestimmt. Die Mitgliedschaft ruht demnach bis Ende 2023. Palmer war in den vergangenen Jahren mit umstrittenen Äußerungen immer wieder in seiner Partei angeeckt. Auf einem Landesparteitag der baden-württembergischen Grünen hatten die Delegierten 2021 entschieden, ein Ausschlussverfahren zu beantragen.