Im Prozess gegen den Inspekteur der Polizei wegen sexueller Nötigung hat das Landgericht Stuttgart dem Wunsch der Staatsanwaltschaft entsprochen und das wohl wichtigste Beweismittel zugelassen. Der rund einstündige Mitschnitt des Videotelefonats zwischen dem Inspekteur und dem mutmaßlichen Opfer darf genutzt werden - und wurde am Freitag auch angehört, allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Was genau in dem Mitschnitt zu hören ist, muss geheim gehalten werden, entschied das Gericht zum Schutz der Privat- und Intimsphäre des Angeklagten. Darauf hatte die Verteidigung von Andreas R. gepocht.
Zuvor hatte Richter Volker Peterke bereits entschieden, dass das allgemeine Interesse an der Aufklärung einer schweren Straftat in diesem Fall schwerer wiege als die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten. Deswegen wurde das von der Polizeibeamtin aufgezeichnete Telefonat als Beweismittel zugelassen.
Heimlicher Mitschnitt als Beweismittel
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft wird in dem 55-minütigen Mitschnitt vom 16.11.2021 deutlich, warum der Inspekteur die Frau wenige Tage zuvor vor einer Stuttgarter Kneipe sexuell genötigt haben soll. Nach SWR-Informationen versuchte Andreas R. in dem Videotelefonat die Polizistin zu überreden, sich mit ihm einzulassen. Er soll dabei ausgenutzt haben, dass die Frau sich nach eigenen Angaben vor beruflichen Nachteilen fürchtete - sollte sie ihren Vorgesetzten zurückweisen.
Ranghöchster Polizist in BW vor Gericht Prozess um sexuelle Nötigung: Verriet sich Inspekteur in Videotelefonat?
Im Prozess gegen den Polizeiinspekteur Andreas R. soll am Freitag voraussichtlich entschieden werden, ob das wohl wichtigste Beweismittel genutzt werden darf: ein Videotelefonat.
Die Verteidigung des freigestellten Inspekteurs lehnte eine Nutzung des Gesprächs vor Gericht strikt ab. Der Mitschnitt sei als Beweismittel nicht verwertbar, weil die Polizistin das Gespräch heimlich aufgezeichnet habe, was illegal sei. Das Gericht erläuterte jedoch, die Frau habe den Mitschnitt als Privat- und nicht als Amtsperson gemacht - als Polizeibeamtin hätte sie eine gerichtliche Genehmigung gebraucht. Als Privatperson habe sie das Ziel gehabt, Beweise für die sexuelle Nötigung zu sammeln.
Wie kam der Mitschnitt zustande?
Der juristische Streit um das Videotelefonat hat eine Vorgeschichte: Eigentlich hätte die Frau ihren Gesprächspartner vor dem Mitschnitt um Erlaubnis fragen müssen. Zwischenzeitlich ermittelte deshalb die Staatsanwaltschaft gegen die heute 34-jährige Beamtin. Die Ermittlungen wurden aber eingestellt mit der Begründung, die Frau habe "aufgrund eines zu rechtfertigenden Notstands" nicht rechtswidrig gehandelt.
"Die Aufzeichnung des Gesprächs mit dem Inspekteur der Polizei des Landes Baden-Württemberg war eine geeignete und verhältnismäßige Maßnahme, um der fortdauernden Gefahr, von ihm zur Aufnahme einer sexuellen Beziehung gedrängt zu werden, durch Herbeiführung eines Straf- und Disziplinarverfahrens gegen ihn zu begegnen", erklärte die Staatsanwaltschaft. Andreas R. legte Beschwerde ein, die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart lehnte diese ab.
Nur Vorteile, keine Nachteile: Andreas R. wirbt um Gunst der Kollegin
Aber worum geht es genau in dem Skype-Gespräch? Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Mitschnitt eine "Tatmotivation" dokumentiert. Andreas R. hatte die jüngere Kollegin, die im Homeoffice arbeitete, zu dem Gespräch angefragt - wenige Tage nach dem Kneipenabend, der einem Personalgespräch im Innenministerium folgte. Dabei versuchte der verheiratete Inspekteur nach SWR-Informationen die junge Frau zu überreden, eine Beziehung mit ihm einzugehen. In dem Gespräch versicherte er mehrfach, dass sie durch den privaten Kontakt beruflich nur Vorteile haben werde. Er sei in der Lage, Dienstliches von Privatem zu trennen.
Aus dem Telefonat geht nach SWR-Informationen auch hervor, dass sich die Frau vor dienstlichen Konsequenzen fürchtete, sollte sie den Inspekteur zurückweisen. Andreas R. soll gesagt haben, er hoffe, dass sie seine Unterstützung nicht ausschlage - das wäre äußerst schade. Er werde sie bei jedem Schritt im Assessment Center begleiten und sie auf jeden Fall durchbringen, sodass sie es in den höheren Dienst schaffe.