Pflegebetten im Diakoneo in Schwäbisch Hall

Abteilungen geschlossen, Patientenzahl reduziert

Personal in BW-Krankenhäusern knapp: Krankenhausgesellschaft fordert Aufhebung von Quarantäneregeln

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Dauerhafter Personalmangel und jetzt auch noch Urlaubszeit: Die Lage in Kliniken in BW spitzt sich zu. Eine Lockerung der Corona-Quarantäne für Beschäftigte wird stark diskutiert.

Bis zu 15 Prozent des Pflegepersonals und rund zehn Prozent der Ärztinnen und Ärzte sind aufgrund von Krankheit oder Absonderung derzeit nicht in den Kliniken im Land im Einsatz. Zusätzlich arbeiten weitere 15 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht, weil sie im Jahresurlaub sind. Das teilte die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) auf SWR-Anfrage mit. Die Personaldecke wird dadurch noch dünner als sonst.

Personalmangel Thema bei Beratungen mit Lucha am Donnerstag

Am Donnerstag sind Vertreterinnen und Vertreter von Gesundheitsversorgern und BWKG bei monatlich stattfindenden Beratungen mit Gesundheits- und Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) zusammengekommen. Nach SWR-Informationen sollte es um die Situation in den Kliniken gehen. Die Krankenhausgesellschaft hat dabei aber keine neuen Zahlen vorgelegt.

Klinik-Abteilungen in BW teilweise geschlossen

In einigen Kliniken sind laut Matthias Einwag, dem Hauptgeschäftsführer der BWKG, bereits Abteilungen geschlossen worden oder man habe die Anzahl der Patientinnen und Patienten auf Stationen halbiert. Das helfe bereits.

Man komme aus einem schwierigen Winter und Frühjahr und habe schon viele Operationen verschieben müssen, so der Hauptgeschäftsführer der BWKG. Doch, anstatt die Operationen nun einzeln abzuarbeiten, plane man wieder von Tag zu Tag und nehme die Operationen vor, die nun wirklich nicht mehr aufgeschoben werden dürften.

Geschlossene Praxen verschärfen Situation

Die Situation werde verschärft durch Praxen, die über den Sommer urlaubsbedingt geschlossen seien, so Einwag. Viele Patientinnen und Patienten gingen deshalb direkt in die Notaufnahmen der Kliniken, weshalb diese überlastet seien.

Über die Auswirkungen von Personalmangel in Kinderkliniken hat der SWR am 7. Juli berichtet:

Der Chef der Uniklinik Tübingen hat in der vergangenen Woche die aktuellen Quarantäneregeln in Frage gestellt. Er findet, dass symptomlose Corona-Infizierte arbeiten könnten. Derzeit ist dies grundsätzlich für 14 Tage verboten.

In Einzelfällen kann es seit einer Woche aber ab dem sechsten Tag von Klinikleitungen aufgehoben werden. Von dieser Ausnahmeregelung soll laut dem baden-württembergischen Gesundheitsministerium nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn aufgrund des Personalmangels die Versorgung vor Ort nicht mehr gewährleistet werden kann. Außerdem müssen die betroffenen Beschäftigten symptomfrei sein und unter besonderen Hygienebedingungen sowie mit FFP2-Maske arbeiten. Diese neuen Quarantäneregeln könnten die Lage ein wenig abfedern, meint BWKG-Chef Einwag.

Tübingen

Derzeitige Corona-Variante wie eine schwere Grippe? Chef der Uniklinik Tübingen stellt Quarantäneregeln in Frage

Der Ärztliche Direktor der Uniklinik Tübingen findet, dass symptomlose Corona-Infizierte arbeiten könnten. An den Kliniken in Reutlingen und Freudenstadt ist man strikt dagegen.

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Quarantäne-Regelung bei Kliniken umstritten

Matthias Orth, ärztlicher Direktor am Stuttgarter Marienhospital, ist strikt dagegen, dass infizierte Beschäftigte in der Klinik zur Arbeit kommen. Die Regelung sei gut gemeint, aber schlecht gemacht. Wenn Patientinnen und Patienten durch infizierte Beschäftigte angesteckt würden, wäre das "ein fatales Zeichen". Ein weiteres Problem aus seiner Sicht: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten sich unter Druck gesetzt fühlen und trotz Krankheit und Corona-Infektion arbeiten. Ähnlich argumentieren die Gewerkschaften.

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Der medizinische Geschäftsführer des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart, Dominik Alscher, befürwortet die Neuregelung hingegen: "Wir haben jetzt schon viele erkrankte Mitarbeiter, wir haben viele Patienten und ich glaube, jeder ist froh, wenn die Funktionsfähigkeit möglichst gut erhalten bleibt." Diese sieht er allerdings aktuell angesichts von 200 Krankheitsfällen bei 3.000 Beschäftigten gefährdet. Er rechne besonders im Herbst mit noch mehr Ausfällen. "Ich glaube, es wird eine Situation eintreten, dass wir tatsächlich froh sind, dass wir Mitarbeiter trotzdem einsetzen dürfen", so Alscher. In der Herzchirurgie etwa müssten Operationen oft innerhalb weniger Wochen operiert werden, weil sie sonst versterben.

Forderungen: Corona-Politik ändern für mehr Personal

Um mehr Personal für die Arbeit an Patientinnen und Patienten zu haben, hat die BWKG schon früher gefordert, Bürokratie abzubauen. Auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht für Pflegepersonal solle ausgesetzt werden, hieß es im Juli. Gegen den Personalmangel in der Intensivpflege hat das baden-württembergische Gesundheitsministerium ein Modellprojekt genehmigt. Dabei soll die Ausbildung zur Intensivpflegekraft an fünf Unikliniken im Land um eineinhalb Jahre auf insgesamt vier Jahre verkürzt werden.

Wie sich ein immer wieder diskutiertes verpflichtendes Dienstjahr auf die Personalsituation an Kliniken auswirken könnte, hat der SWR am Beispiel des Klinikums Hochrhein am 29. Juni beleuchtet:

Mehr zur Situation in den Krankenhäusern in BW:

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Seit Mitte März müssen sich Mitarbeitende in Kliniken oder Altenheimen gegen Corona impfen lassen. Nicht jeder hält sich daran - trotzdem gibt es bisher kein Beschäftigungsverbot.

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