Bewerberinnen und Bewerber bei der Polizei in Baden-Württemberg müssen keinen Mindestnotendurchschnitt mehr nachweisen: Seit dem 1. September 2024 entfällt die Vorgabe der Abschlussnote von 3,0 für den gehobenen Dienst und 3,2 für den mittleren Dienst. Die allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife beziehungsweise die Mittlere Reife muss jedoch weiterhin nachgewiesen werden.
Viele Studienplätze blieben unbesetzt
Immer wieder kam es der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) zufolge dazu, dass Bewerberinnen und Bewerber herausragende Ergebnisse bei der sehr anspruchsvollen Einstellungsprüfung erreichten. "Schon ein Notenschnitt von 3,1 bei dem oft nach der Einstellungsprüfung stattfindenden Schulabschluss stand dann der Einstellung im Wege. In den vergangenen zwei Jahren konnten mehr als 200 Studienplätze nicht vergeben werden", sagte DPolG-Landeschef Ralf Kusterer. "Viele der Bewerberinnen und Bewerber wählten dann trotz Abitur die Ausbildung zum mittleren Dienst."
Dass es auf den Notendurchschnitt nicht mehr ankommt, ist inzwischen bei den meisten Polizeien der Länder und des Bundes gängige Praxis. Bundesweit geben nur noch das Bundeskriminalamt, die Polizei Hamburg und die Bundespolizei einen Mindestnotenschnitt als Bewerbungsvoraussetzung vor, wie aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Landtagsanfrage der FDP hervorgeht.
Noten als Voraussetzung seit 1986
So ändern sich die Zeiten. Im Jahr 1986 hatte das Saarland angesichts des immer größer werdenden Interesses junger Leute am Polizeiberuf eine Art "Numerus clausus" bei der Einstellung von Polizeibewerbern eingeführt. Bewerber für den Polizeidienst mussten damals mindestens einen Notendurchschnitt von 2,4 bei einem mittleren Bildungsabschluss vorweisen.
Schulnoten und insbesondere der Gesamtnotenschnitt könnten zwar ein Hinweis für den Erfolg in Ausbildung und Studium sein. Das habe jedoch als einziges Kriterium eine nur sehr begrenzte Aussagekraft und bilde daher polizeilich relevante Kompetenzen nur gering ab, schreibt das Innenministerium. "Persönliche Fähigkeiten und Motivation stehen im Vordergrund. Besonders aussagekräftig im Hinblick auf die Eignung für den Polizeivollzugsdienst ist der speziell zugeschnittene polizeiliche Auswahltest."
Der Test umfasst dem Innenministerium zufolge fünf Bereiche und prüft standardisiert Sprachkenntnisse und Wissen, intellektuelle Fähigkeiten sowie Persönlichkeitsmerkmale. Zudem werden in einem strukturierten Auswahlgespräch Fragen zur Kompetenz und Motivation an die Bewerbenden gerichtet.
Wie sieht die Ausbildung bei der Polizei aus? Der SWR hat Anfang des Jahres einen Einblick bekommen, was Nachwuchskräfte können und wissen müssen. Polizeianwärter und -anwärterinnen wurden dabei in einer Prüfungssimulation mit Gefahren konfrontiert, die potentiell auch bei realen Einsätzen vorkommen können.
FDP kritisiert Zustand der Polizei in Baden-Württemberg
Bei der Landespolizei Baden-Württemberg sind etwa 34.200 Menschen beschäftigt. Neben den rund 28.500 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten - davon rund 3.100 Anwärterinnen und Anwärter - sind etwa 5.700 weitere Menschen im Bereich des Nichtvollzugsdienstes tätig.
Unter dem Strich gibt es heute 300 Polizisten mehr in Baden-Württemberg als noch 2016 - dem Jahr des Amtsantritts von Innenminister Thomas Strobl (CDU), der seit langem für seine große Einstellungsoffensive bei der Polizei wirbt. Bis 2026 sollen es 1.000 zusätzliche Polizisten sein.
Die grün-schwarze Landesregierung hat in der vergangenen Legislaturperiode die größte Einstellungsoffensive in der Geschichte der baden-württembergischen Landespolizei gestartet. Seit 2016 sei es gelungen, mehr als 12.000 junge Menschen für die Polizei-Ausbildung zu gewinnen.
Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Julia Goll, sagte dazu: "Obwohl sogar die Anforderungen an schulische Leistungen abgeschafft wurden, stockt Strobls Einstellungsoffensive. Das zweite Jahr in Folge konnten nicht alle ausgeschriebenen Stellen besetzt werden." Es fehlten schon jetzt mehr als 300 neue Kräfte, so Goll.