Mit den Stimmen der Regierungskoalition hat der Bundestag am Freitag ein neues Einwanderungsgesetz beschlossen. Es ermöglicht erstmals Einwanderung für Arbeitskräfte außerhalb der EU nach einem Punktesystem. Die Reaktionen aus Wirtschaft und Politik in Baden-Württemberg sind überwiegend positiv. Doch durch das Gesetz allein werde der Mangel an Fachkräften nicht behoben, heißt es.
IHK begrüßt neues Fachkräfte-Einwanderungsgesetz
In Baden-Württemberg fehlen schon jetzt rund 100.000 Fachkräfte, heißt es bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart. Der Fachkräftemangel sei Thema Nummer Eins bei den Unternehmen und gleichzeitig das "größte betriebliche Risiko", so Hauptgeschäftsführerin Susanne Herre, deren IHK bei dem Thema federführend unter den Kammern in Baden-Württemberg ist. Sie begrüßt das neue Gesetz und sagt, die Einwanderung von Arbeitskräften werde dadurch erleichtert. Angesichts der großen Zahl unbesetzter Stellen spricht die IHK-Hauptgeschäftsführerin nicht mehr nur von einem Fachkräfte-, sondern auch von einem Arbeitskräftemangel.
Doch Herre spricht auch von einem großen Aber. Sie befürchtet, dass durch das am Freitag beschlossene Gesetz die Verfahren in den Ausländerbehörden noch "komplexer" statt "einfacher" werden. Es bestünde die Gefahr, dass es in den Ausländerbehörden zu noch längeren Verfahrenszeiten kommen könnte.
Neue Behörde soll Fachkräfteverfahren beschleunigen
Schon jetzt seien die Ausländerbehörden vor Ort deutlich überlastet, teilte auch die baden-württembergische Migrationsministerin Marion Gentges (CDU) mit. Sie kündigte an, die Verfahren für Fachkräfte und Unternehmen künftig beschleunigen zu wollen. Dafür plant sie eine zentrale Behörde zusätzlich zu den Ausländerbehörden. "Diese Stelle sollte mit allen, die an diesem Verfahren beteiligt sind, also Bundesagentur für Arbeit, Berufsanerkennungsstellen und auch den Welcome-Centern eng vernetzt werden." Ziel der Ministerin ist es, den Vorschlag möglichst nach der Sommerpause ins Kabinett einzubringen. Allerdings sind für die geplante 30-Personen-Behörde bislang keine Gelder im aktuellen Landeshaushalt vorgesehen.
BW-Wirtschaftsministerin unterstützt Pläne für zentrale Stelle
Die baden-württembergische Arbeits- und Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) begrüßt den Vorstoß von Ministerin Gentges: Das beste Zuwanderungsrecht nütze nichts, wenn die praktische Umsetzung ins Stocken gerate und Unternehmen die Fachkräfte am Ende nicht für sich gewinnen könnten. Anträge zügig zu bearbeiten, sei derzeit für alle am Zuwanderungsprozess beteiligten Stellen eine große Herausforderung. "Mit der Einrichtung einer zentralen Stelle zur Fachkräfteeinwanderung könnten Kompetenzen und das Know-how für ganz Baden-Württemberg zentral gebündelt werden. Davon würden die internationalen Fachkräfte und ihre Arbeitgeber vor Ort profitieren. Gleichzeitig könnten so die örtlichen Ausländerbehörden entlastet und unterstützt werden, so Hoffmeister-Kraut weiter.
Integrationsminister: "Wir müssen eine Willkommenskultur pflegen"
Der baden-württembergische Gesundheits- und Integrationsminister Manfred Lucha (Grüne) begrüßt den Beschluss für eine Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. "Endlich stellt Deutschland die Weichen, um ein attraktiver Standort für dringend benötigte ausländische Fachkräfte zu werden und deren Einwanderung zu vereinfachen", sagte der Minister.
Angesicht des Fachkräftemangels solle Schluss damit sein, Ressentiments zu schüren und vor "falschen Anreizen" zu warnen. "Wir müssen vielmehr eine Willkommenskultur pflegen und um Arbeitskräfte werben", so Lucha. Dazu gehöre weniger Bürokratie und vereinfachte Prozesse sowie klare Kriterien wie Sprachkenntnisse oder Berufserfahrung.
Außerdem will der Minister aufgrund des großen Fachkräftebedarfs im Bereich der gesundheitlichen Versorgung und Pflege gemeinsam mit Gentges einen Runden Tisch einberufen. Dieser soll die Prozesse bei der Zuwanderung von Arbeitskräften beschleunigen und - wenn nötig - nachsteuern.
IHK fordert vereinfachte Verfahren für Fachkräfte aus dem Ausland
Der Wirtschaft geht es nicht nur um die Bearbeitung der Verfahren, sondern auch um die Verfahren selbst. Diese müssten vereinfacht werden, forderte IHK-Hauptgeschäftsführerin Herre am Freitag. So sollten die Behörden weniger die Berufsqualifikationen prüfen, sondern vielmehr sich auf die "ausländerrechtlichen, die hoheitlichen" Tätigkeiten beschränken. Das Thema der Berufsqualifikationen könne man den Betrieben überlassen, die "mit den Menschen ja auch nachher arbeiten" würden.
Die IHK weist außerdem daraufhin, dass neben neuen Arbeitskräften durch Zuwanderung auch Menschen im Inland für den Arbeitsmarkt gewonnen werden müssten. Hierbei nannte Hauptgeschäftsführerin Herre eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie eine stärkere Einbindung von gering qualifizierten Menschen.