Nach 13 Jahren Bürgerkrieg ist der syrische Machthaber Baschar al-Assad gestürzt worden. Rebellen unter der Führung der islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) hatten in der Nacht zum Sonntag die Kontrolle über die syrische Hauptstadt Damaskus übernommen.
Syrerinnen und Syrer haben am Sonntag in Baden-Württemberg das Ende der Herrschaft Assads gefeiert. Für Mazen Mohsen aus Marbach am Neckar (Kreis Ludwigsburg) war das vergangene Wochenende sehr emotional. Er hatte Geburtstag und der Sturz Assads sei für ihn das schönste Geschenk, das er jemals bekommen habe.
Der 30-Jährige kam vor fast zehn Jahren aus Syrien nach Deutschland und arbeitet als Musiker. Zum zweiten Mal habe er in seinem Leben am Sonntag echte Freiheit verspürt. "Das erste Mal war, als ich durch meine Einbürgerung in Deutschland ein neues Zuhause gefunden habe." Seiner Familie in der Nähe von Damaskus gehe es gut, sagte er. "Sie bleiben aber die meiste Zeit zu Hause, weil die Lage vor Ort noch unklar und chaotisch ist", so Mohsen.
Geflüchtete aus Syrien: Stopp von Entscheidungen über Asylanträge
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stoppte am Montag vorerst Entscheidungen über Asylanträge von Syrern. Aufgrund der veränderten noch unübersichtlichen Lage sollen Entscheidungen über Asylanträge syrischer Staatsbürger nun erst einmal zurückgestellt werden, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums.
Knapp 5000 Menschen aus Syrien haben bis Ende November einen Asylantrag in Baden-Württemberg gestellt. Nach Angaben des Migrationsministeriums entspricht dies gut einem Viertel aller Asylzugänge in diesem Jahr. Für die meisten von ihnen seien das Assad-Regime und der von ihm ausgelöste Bürgerkrieg der Grund gewesen, ihre Heimat zu verlassen.
Auch wenn dieser Fluchtgrund nun wegfalle, bestehe aktuell große Unsicherheit über die Lage vor Ort, sagte Migrationsministerin Marion Gentges (CDU). Noch sei es zu früh, um sicher Angaben machen zu können, ob und in welchem Umfang Menschen wieder nach Syrien zurückgebracht werden können. Laut dem Justizministerium sind im laufenden Jahr (Stand 5.12.) lediglich zwei Dutzend Menschen freiwillig aus Baden-Württemberg nach Syrien zurückgekehrt.
Auch, welche Ordnung nach dem Assad Regime folgen wird, sei unklar, so Gentges weiter. "Deshalb vermag ich derzeit noch keine Einschätzung dazu abzugeben, ob und in welchem Umfang Rückführungen von vollziehbar ausreisepflichtigen Syrern ganz konkret wieder möglich sein werden."
Vorschnelle Forderungen nach Abschiebungen würden der sensiblen Lage nicht gerecht, sagte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz auf SWR-Anfrage. Sie kämen nur für Syrer infrage, deren Asylanträge abgelehnt wurden. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel forderte, aktuell keine Einbürgerungen mehr vorzunehmen. Unterstützung Deutschlands beim Wiederaufbau solle es nur geben, wenn Syrien Staatsbürger zurücknehme.
Mit dem Sturz von Assad sind nach Einschätzung der SPD nicht automatisch Recht und Ordnung wiederhergestellt. Für Fraktionschef Andreas Stoch muss zunächst ein Schutz vor willkürlicher Verfolgung gewährleistet sein. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke verwies auf die Bedeutung von Rückkehrern für den Wiederaufbau ihres Heimatlandes. Der Vorsitzende der AfD-Fraktion, Anton Baron, forderte einen sofortigen Einbürgerungsstopp für Syrer. Eine Rückführung sei zwingend erforderlich, weil das Assad-Regime als Fluchtgrund nicht mehr bestehe.
Landkreistag: Einreise von Assad-Unterstützern aus Syrien verhindern
Der Präsident des Deutschen Landkreistags, Achim Brötel (CDU), rief zu Wachsamkeit auf, falls bisherige Assad-Unterstützer aus Syrien nach Europa und Deutschland fliehen sollten. "Wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass Unterstützer des alten Regimes jetzt auch noch ihren Weg nach Deutschland finden, sodass dann mitten unter uns die Täter womöglich auf die Familien ihrer Opfer treffen", sagte der Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises der "Rheinischen Post". Deshalb halte er "deutlich verstärkte Kontrollen an den EU-Außengrenzen, aber auch an den deutschen Grenzen" für sinnvoll.
Caritas hofft auf Neuanfang nach Sturz von Assad in Syrien
Die seit Jahren in Syrien aktive Hilfsorganisation Caritas international hofft auf einen Neuanfang, um allen Syrerinnen und Syrern eine würdige Zukunft zu ermöglichen. Neben einem raschen Wiederaufbau mit internationaler Hilfe seien der Schutz der Menschenrechte und die Sicherheit der Bevölkerung entscheidend, um die Wunden des jahrelangen Krieges zu heilen, erklärte Caritas international am Montag in Freiburg.
Die Debatte um schnelle Abschiebungen kritisierte Oliver Müller, Leiter von Caritas international, scharf: "Es ist jetzt definitiv nicht der passende Zeitpunkt, um eine Rückkehr-Debatte anzustoßen." Innerhalb von Syrien seien nach wie vor Millionen Menschen vertrieben und auf der Flucht. "90 Prozent der syrischen Bevölkerung lebt in Armut, die humanitäre Not im Land ist immens", beschrieb Müller.