Die Zahl der Geflüchteten nimmt in Baden-Württemberg weiter zu. Laut Justizministerium, das im Land zuständig ist für das Thema Migration, haben im September 4.742 Menschen einen Antrag auf Asyl gestellt. Das sind rund 800 mehr als im Vormonat. Zum Vergleich: Im September 2022 waren es laut Ministerium 879 Menschen weniger. Nicht zur Statistik hinzu zählen Menschen aus der Ukraine: 2.826 Menschen aus dem Land haben im September ein Aufenthaltsrecht erhalten. Ukrainer erhalten auf EU-Ebene aber sofort einen Schutzstatus und können etwa arbeiten.
Frappierend bei den Asylanträgen: Anders als auf Bundesebene kommt die größte Gruppe der Antragsteller in Baden-Württemberg mit mehr als 2.000 Asylzugängen aus der Türkei, 997 Menschen kommen aus Syrien, 544 aus Afghanistan.
Frau aus der Türkei sucht Asyl in Deutschland
Eine Frau aus der Türkei, die in Baden-Württemberg Schutz sucht, ist Leyla (Name von der Redaktion geändert). Sie ist eine von vielen Türkinnen, die in Baden-Württemberg Asyl bekommen hat, weil sie politisch verfolgt wurde. "In meiner Familie gab es Stimmen, die der Regierungslinie nicht gefallen haben", sagte sie dem SWR. Gegen ihren Vater wurde ermittelt, Kinder verhört.
Leyla, die in der Türkei Deutsch als Fremdsprache auf Lehramt studiert hatte, entschied, nach Deutschland zu flüchten, nachdem ihr Vater ins Gefängnis kam. Sprache und Kultur waren ihr schließlich vertraut und in Baden-Württemberg hat sie Verwandte. "Ich war reich in der Türkei, ich hatte ein angenehmes Leben, ein großes Haus, mir ging es gut", sagt sie rückblickend.
Ihre neue Realität in Deutschland war eine Sammelunterkunft. Nachdem ihr Antrag auf politisches Asyl anerkannt wurde, hat Leyla Qualifikationsmaßnahmen durchlaufen, eine Prüfung an der Uni Mainz bestanden. Als Geflüchtete aus der Türkei muss sie sich laut eigener Aussage bei der Jobsuche aber ganz hinten in der Schlange einreihen. "Es gibt kurz gesagt Konkurrenz zwischen Ukrainischen und anderen Ausländern. Da gibt es einen Rassismus."
Flüchtlinge aus der Türkei: Unterschiede bei erfolgreichen Asylgesuchen
Nachprüfen lässt sich der Vorwurf nicht, fest steht aber eine Unwucht bei der Anerkennung der Geflüchteten aus der Türkei. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg kritisiert, dass 81 Prozent der Asylgesuche von Türkinnen und Türken im vergangenen Jahr laut Bundesamt für Migration, kurz BAMF, anerkannt wurden. Aber nur 12 Prozent der ethnischen Minderheit der Kurdinnen und Kurden aus der Türkei haben einen Schutzstatus bekommen.
"Die BAMF-Entscheide dokumentieren an dieser Stelle ein sehr großes Vertrauen in die türkische Rechtsstaatlichkeit", sagt Anja Bartel vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Sie wirft den deutschen Behörden vor, das türkische Rechtsverständnis zu übernehmen, obwohl "eigentlich bekannt ist, dass Aktivistinnen häufig vorschnell festgenommen werden, keine Chance auf ein faires Gerichtsverfahren in der Türkei haben und ihnen lange Haftstrafen drohen", so Bartel weiter.
Das Bundesamt für Migration reagiert gelassen auf die Vorwürfe. Die Asylgründe, die Antragstellende im Rahmen ihrer Anhörung vortragen, würden beim Bundesamt statistisch nicht erfasst, teilt die Behörde dem SWR schriftlich mit. Aufgrund individueller Faktoren könnten Entscheidungen auch bei Personen aus demselben Herkunftsland ganz unterschiedlich ausfallen, heißt es weiter. Auch die angegebene Volkszugehörigkeit müsse nicht ursächlich für einen Schutzstatus sein. Die Entscheider beim Bundesamt würden durchgehend gebrieft. Eine Erklärung, warum die Anerkennungsquote bei Kurden und Türken so weit auseinanderklafft, liefert das BAMF nicht.
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