Die russische Oppositionelle Alexandra Zakieva.

Aktivistin von "Stop Dictators" geht ihren Weg

Heidelberg: Oppositionelle Russin bietet Putin die Stirn

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Autor/in
Stephanie Ley
Bild Stephanie Ley, SWR Studio Mannheim

Sie kämpft für ein besseres Russland. Die Heidelberger Aktivistin Alexandra Zakieva. Die gebürtige Moskauerin engagiert sich in der Widerstandsgruppe "Stop Dictators".

Sie will nicht im Verborgenen agieren, sondern zeigt Name und Gesicht - was nicht ungefährlich ist. Die russische Staatsbürgerin Alexandra Zakieva arbeitet als Biologin für ein renommiertes Forschungsinstitut in Heidelberg. Privat liegt ihr vor allem eines am Herzen: Gemeinsam mit ihren Mitstreitern von "Stop Dictators" will die 31-Jährige dazu beitragen, dass die Putin-Ära in Russland endet. Die Aktivistin wünscht sich Freiheit und Demokratie in ihrem Heimatland. Deshalb hat die Gruppe einen offenen Brief an die Bundesregierung geschrieben. Mit dem SWR hat Alexandra Zakiewa über ihren Weg gesprochen.

SWR Aktuell: Frau Zakieva - wie schätzen Sie die aktuelle Situation in Russland ein?

Alexandra Zakieva: Die Situation ist brandgefährlich. In Russland herrscht eine Diktatur. Mein Land führt einen kriminellen Angriffskrieg gegen die Ukraine, das ist absolut frustrierend. Gleichzeitig passiert in Russland etwas, was man auf den ersten Blick nicht sieht. Weil alles zensiert wird und Terror an der Tagesordnung ist. Etwa ein Drittel der russischen Bevölkerung wünscht sich die Abschaffung der Diktatur und stabile, friedliche Verhältnisse. Wir versuchen, diesen Menschen eine Stimme zu geben.

SWR Aktuell: Putin hat in der russischen Bevölkerung viele Unterstützer. Sie persönlich haben einen anderen Weg gewählt. Warum?

Alexandra Zakieva: Ich habe mich für den Widerstand entschieden und gegen den "Putinismus". Wir sehen Wladimir Putin und sein Regime als Besatzer, lehnen seine Ideen und Werte ab. Stattdessen wollen wir Demokratie, treten für die Wahrung der Menschenrechte ein und sehnen uns nach einer friedlichen Entwicklung in unserem Land.

Aktivisten der Gruppe "Stop Dictators" schreiben Briefe
Aktivisten der Gruppe "Stop Dictators" schreiben Briefe an politische Gefangene in Russland

SWR Aktuell: Wie wollen Sie diese Ziele erreichen?

Alexandra Zakieva: Es kommt darauf an, wo auf dieser Welt Sie sich gerade befinden! Jeder Einzelne kann etwas tun. Unsere Gruppe "Stop Dictators", die wir 2022 in Heidelberg gegründet haben, ist eine basisdemokratische Bewegung. Wir arbeiten mit anderen Aktivisten in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt zusammen. Wir organisieren Demonstrationen, unterstützen politische Gefangene, suchen Geldgeber, um die Widerstandbewegung in Russland zu stärken.

Wir entwickeln Visionen, wie Russland in Zukunft aussehen könnte. Und wir informieren Bürger über die wahren Verhältnisse in unserer Heimat. Denn das Problem ist, dass Russland überall auf der Welt Lügen verbreitet. Wir wollen die Wahrheit berichten.

SWR Aktuell: Was nicht ungefährlich ist, oder?

Alexandra Zakieva: Durchaus nicht. Ich spüre den Druck und das Risiko. Aber ich versuche, das zu ignorieren. Man darf vor dem Terror nicht einbrechen. In Berlin sind russische Widerstandskämpfer schon vergiftet und umgebracht worden. Hier in Heidelberg war das noch nicht der Fall, aber einige meiner Mitstreiter leben in Angst.

SWR Aktuell: Wie sieht Ihre Unterstützung für politische Gefangene aus?

Alexandra Zakieva: In den russischen Gefängnissen gibt es Tausende von ihnen. Wir schreiben ihnen Briefe, um sie moralisch und psychisch zu stärken. Damit sie Menschlichkeit spüren und den Mut nicht verlieren. Außerdem versuchen wir, ihr Schicksal öffentlich zu machen. Dann nämlich laufen sie weniger Gefahr, schwer gefoltert zu werden. Außerdem organisieren wir Spendengelder für Essen, Kleidung und Medizin.

Aktivisten der Gruppe "Stop Dictators" bei Protesten
Bei einer Demonstration von "Stop Dictators" in Heidelberg.

SWR Aktuell: Am 3. August gab es einen Gefangenenaustausch mit Russland. 16 Inhaftierte durften in den Westen ausreisen, darunter mehrere Oppositionelle. Sie haben jetzt reagiert....

Alexandra Zakieva: Wir haben einen offenen Brief an die Bundesregierung geschrieben, um unseren Dank zum Ausdruck zu bringen. Denn unter den Freigelassenen waren auch Schlüsselfiguren des Widerstands. Sie leben jetzt in Europa, in Sicherheit. Das hat uns sehr motiviert. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass noch viele andere politische Gefangene in den russischen Gefängnissen ausharren. Ihr Leben ist weiterhin in Gefahr.

SWR Aktuell: Wann haben Sie Ihre Heimatstadt Moskau das letzte Mal besucht?

Alexandra Zakieva: Das letzte Mal war ich 2021 in Moskau. Alexej Nawalny war kurz zuvor verhaftet worden. Er war krank und bekam im Gefängnis keinen medizinischen Beistand. Zehntausende sind auf die Straße gegangen, um bessere Haftbedingungen für ihn zu erreichen. Überall gab es Kameras. Seit jenem Tag bin ich der russischen Regierung ein Dorn im Auge. Ich bin nach den Protesten sofort nach Deutschland geflogen und nicht wieder zurückgekehrt.

SWR Aktuell: Was Ihnen nicht leicht fallen dürfte. Sie haben noch Familie in Russland.

Alexandra Zakieva: So ist es. Ich habe mich entschieden, solange nicht zurückzukehren, wie das Putin-Regime an der Macht ist. Aber es ist schrecklich, meine Familie nicht sehen zu können. Das macht mich ganz traurig und depressiv. Aber da ist noch mehr! Einige aus meiner Familie vertreten komplett andere Ansichten, sie unterstützen Putin und seinen Machtapparat. Unsere Gespräche sind manchmal knallhart. Um den Familienfrieden zu wahren, versuchen wir oft politische Themen zu vermeiden - sprechen wir sie an, streiten wir.

SWR Aktuell: Wovon träumen Sie?

Alexandra Zakieva: Mein Traum ist es, dass Putin seine Macht verliert und der Krieg endlich vorbei ist. Ich wünsche mir, dass alle politischen Gefangenen frei kommen, dass die Kriegstreiber rechtlich zur Verantwortung gezogen und ins Gefängnis gesteckt werden. Es wäre so schön, wenn wir Russen in einem demokratischen Staat leben könnten - ohne Aggression und Terror. Wenn wir ein ganz normales Leben hätten. Das wäre wunderbar. Dann würde ich zurückgehen.

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