Blick auf das Landgericht Mannheim

An Schülerinnen vergangen?

Verdacht des sexuellen Missbrauchs: Musiklehrer aus Weinheim vor Gericht

Stand
Autor/in
Wolfgang Kessel
Wolfgang Kessel, Redakteur beim SWR in Mannheim
Ninja Degen
Bild Ninja Degen, SWR Studio Mannheim

Ein Musiklehrer aus Weinheim steht seit Dienstag in Mannheim vor Gericht. Er soll mehrere Schülerinnen missbraucht haben. Als der Mann damals in U-Haft kam, schlug das hohe Wellen.

Ein 67-Jähriger, der in Weinheim (Rhein-Neckar-Kreis) an einer Musikschule unterrichtet hat, muss sich vor dem Landgericht Mannheim verantworten. Der Mann, der seit Februar 2023 im Ruhestand ist, soll laut Anklage zwischen 2012 und 2017 insgesamt vier Schülerinnen mehrfach sexuell missbraucht haben. Sie waren zwischen zwölf und 16 Jahre alt, als sich der Mann "im Rahmen eines Unterrichtsverhältnisses", so die Anklage, an den Mädchen vergangen haben soll.

Prozess in Mannheim: Öffentlichkeit wegen intimer Details teilweise ausgeschlossen

Zum Prozessauftakt am Dienstag trat der 67-jährige grauhaarige Angeklagte vor Gericht betont entspannt auf. Das Gesicht des Mannes war gebräunt, er trug eine helle Jeansjacke, darunter ein türkisfarbenes Shirt. Für die Verlesung der Anklage gegen ihn wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Die Verteidigung des ehemaligen Musiklehrers hatte das beantragt. Das Gericht gab dem Antrag statt, weil in der Anklageverlesung intime Details bezüglich der damals minderjährigen Opfer genannt würden. Der Angeklagte wollte nach Aussage seiner Verteidiger noch am Dienstag eine Erklärung verlesen - ebenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Unklar ist deswegen unter anderem, wo genau sich die mutmaßlichen Missbrauchs-Fälle ereignet haben.

Der Richter Dr. Joachim Bock neben Verteidigung und Staatsanwaltschaft im Landgericht Mannheim.
Beim Prozess gegen den Weinheimer Musiklehrer ist die Öffentlichkeit für die Dauer der Anklageverlesung ausgeschlossen worden.

Mutmaßliche Missbrauchs-Fälle: Rektor "wie vor den Kopf gestoßen"

Am Dienstagnachmittag sagte der Rektor der "Musikschule Badische Bergstraße" in Weinheim vor Gericht als Zeuge aus. Der angeklagte Ex-Lehrer war dort bis zu seinem Ruhestand angestellt. Als der damals noch aktive Lehrer vor vier Jahren wegen des mutmaßlichen Missbrauchs an vier Schülerinnen festgenommen wurde, sei er wie vor den Kopf gestoßen gewesen, sagte der Musikschulrektor. Er habe zuvor nie von Beschwerden dieser Art von Eltern über den Mann gehört. Laut dem Rektor wurde ihm im Zuge der polizeilichen Durchsuchungen und Ermittlungen klar, dass offenbar viele Schülerinnen und Schüler in der Privat-Wohnung des ehemaligen Lehrers zeitweise ein und ausgegangen waren - wie ein "offenes Haus". Davon habe er nichts gewusst. Es war auch die Rede davon, dass mindestens einmal Schülerinnen im Bett des Ex-Lehrers gesehen wurden. Als ihm das bekannt wurde, so der Rektor, sei ihm heiß und kalt geworden.

Es gebe ein Kinderschutzkonzept an der Schule, das zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Taten auch schon gegolten habe. Demnach sei es Lehrkräften der Schule strikt untersagt, Privatunterricht zu geben - weder bei sich, noch bei den Schülerinnen oder Schülern zu Hause.

Mutter beklagte "Distanzlosigkeit" des Musiklehrers

Zuvor waren im Gerichtssaal auch andere angebliche Vorfälle des Angeklagten zur Sprache gekommen. Es gab offenbar mehrere Einträge in der Personalakte des Mannes an der Schule - unter anderem wegen angeblicher politischer Einflussnahme auf seine Schülerinnen und Schüler. Die Mutter einer Schülerin habe außerdem im Jahr 2020 ein "distanzloses Verhalten" des Mannes gegenüber ihrer Tochter beklagt.

Ex-Musiklehrer vor Gericht: "Meist Gruppen-Unterricht"

Der 67-jährige Musiklehrer erklärte vor Gericht, dass er seine Schülerinnen und Schüler meist in Gruppen unterrichtet habe, zum Beispiel in Band-Projekten. Es habe so gut wie keinen Einzelunterricht gegeben. Er sei zunächst Gitarrenlehrer gewesen - dann habe er sich autodidaktisch Klavier, Keyboard und Saxophon beigebracht und die Beherrschung dieser Instrumente ebenfalls unterrichtet. In seinen Ausführungen bemühte sich der Angeklagte, ein möglichst positives Bild von sich selbst zu zeichnen, er wirkte entspannt und mit sich im Reinen.

"Übergriffiges Verhalten" in Wohngemeinschaft in Bensheim?

Etwas sparsamer wurden seine Ausführungen aber, als es um seine Zeit vor über 30 Jahren als Mitglied einer Wohngemeinschaft (WG) in Bensheim (Kreis Bergstraße) ging. Die Anklage zitierte Presseberichte, wonach es dort teilweise zu übergriffigem Verhalten gegenüber jungen Menschen gekommen sei. Viel konnte oder wollte der Mann dazu nicht sagen, nur dass er das alles damals "nicht so eingeschätzt habe". Er sei heute kein Freund mehr von einem Leben in einer WG, er stelle vieles in Frage, "aber das nützt mir jetzt natürlich nichts mehr", so der Angeklagte weiter. Zur Sprache kamen auch mehrere Fälle von Erwachsenen-Adoptionen in dieser WG. Auch er selbst sei von einem Mitbewohner adoptiert worden, mit seiner Zustimmung, erklärte der Angeklagte.

Mutmaßliche Missbrauchs-Fälle schlugen hohe Wellen in Weinheim

Im Gerichtssaal verfolgten nur wenige Zuhörer den Prozessauftakt. Als der Fall vor etwas mehr als drei Jahren an die Öffentlichkeit kam, hatte er allerdings hohe Aufmerksamkeit erregt. Damals war bekannt geworden, dass der Musiklehrer im Dezember 2020 festgenommen wurde und in Untersuchungshaft kam. Er wurde allerdings im Januar 2021 wieder entlassen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte aber weiter.

Im vergangenen März wurde dann bekannt, dass der Prozess im Herbst beginnen soll. Bisher sind 14 Verhandlungstage angesetzt. Ende November könnte ein Urteil gesprochen werden.

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