Im Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung heißt es, dass man zukünftig "Prävention und Aufklärung in den Mittelpunkt der Drogen-Suchtpolitik stellen [möchte]“. Es geht um Nichtraucherschutz, Glücksspiel und auch um die Schadensminderung beim Konsum von gefährlichen Substanzen.
Fast alle Parteien begrüßen die Idee
Im Rahmen dessen sollte ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt zum Drug-Checking an den Start gebracht werden. Fast alle Parteien unterstützen die Idee, ein Pilotprojekt ist bisher im Haushalt allerdings noch nicht vorgesehen.
Vereine wie die Drogenberatungsstellen Release Stuttgart, der Arbeitskreis Rauschmittel Lörrach, die bwlv Fachklinik Tübingen, der Interessensverband Clubkultur Baden-Württemberg und auch der Drogenverein Mannheim sehen die dringende Notwendigkeit und wollen das Pilotprojekt anschieben.
Was bedeutet Drug-Checking?
Beim Drug-Checking können Konsumierende ihre illegal erworbenen Substanzen auf gefährliche Inhaltsstoffe hin analysieren lassen. Zum Drug-Checking gehört auch ein Beratungsgespräch, bei dem man über die Gefahren des Konsums und die gesundheitlichen Schäden aufgeklärt wird.
Die weltweit größte Umfrage für Drogenkonsum (Global Drug Survey) sammelt anonym Daten und verzeichnet in den letzten sieben Jahren einen stetigen Zuwachs an Drogenkonsumierenden. Robert Gaa ist politischer Sprecher des Vereins Clubkultur Baden-Württemberg und findet besonders alarmierend, dass der Konsum bei jungen Menschen zwischen 16-24 Jahren am höchsten ist.
Robert Gaa ist außerdem Nachtbürgermeister der Stadt Mannheim. Er ist für das nächtliche Leben im öffentlichen Raum verantwortlich und steht im Austausch mit Kneipen- und Club-Betreibenden. Ihm geht es auch darum, das Nachtleben für alle Beteiligten sicherer zu gestalten. Und dazu könnte Drug-Checking, und die damit verbundene Beratung, einen Teil beitragen.
Rettungseinsätze im Zusammenhang mit Drogen-Konsum
Kai Mutschler arbeitet seit zehn Jahren als Notfallsanitäter beim Rettungsdienst der Johanniter in Mannheim. Er hat Erfahrung mit Einsätzen im Zusammenhang mit Drogen-Konsum. Überdosierungen mit Todesfall seien glücklicherweise eher eine Seltenheit. Bei Einsätzen komme es allerdings häufiger vor, dass Patienten von einem erhöhten Konsum und Mischkonsum berichten. Besonders am Wochenende werden vermehrt Tabletten, Alkohol und Amphetamine konsumiert. Er bestätigt auch, dass sich die Dosierung und Zusammensetzung solcher Drogen mit der Zeit verändert hat und die Effekte daher dramatischer sein können.
Kritik: Serviceangebot für Konsumierende
Nicole Lassmann ist Projektkoordinatorin bei Take Stuttgart und berät seit Jahren zum Thema Freizeitdrogen und Konsum. Für sie ist das Drug-Checking die "fehlende Säule in der Präventionsarbeit". Bei Drogen gebe es keinen Beipackzettel, und viele Konsumierende können nicht wissen, was sie da tatsächlich zu sich nehmen. Der Weg zur Beratungsstelle sei außerdem immer noch stigmatisiert. Anhand von Studien in der Schweiz könne man erkennen, dass Drug-Checking dazu führen kann, dass Konsumierende ihren Konsum reflektieren und dadurch sogar verringern.
Kein Test ohne Beratung
Berlin startet im März als erstes deutsches Bundesland mit dem Modellversuch. Baden-Württemberg will nachziehen, so steht es zumindest im Koalitionsvertrag. Die Idee ist, Beratungen und Annahmestellen zentralisiert auch in Städten in Baden-Württemberg anzubieten. Die eingereichten Substanzen müssen dann in einem speziellen Labor getestet werden. Mit jedem Test werden die Konsumierenden auch beraten. Das Angebot ist vertraulich, anonym und kostenlos. Getestet könnte beispielsweise an der Uniklinik Freiburg in der forensischen Toxikologie werden.
Laborleiter Volker Auwärter warnt vor dem Wirkstoffgehalt und der Zusammensetzung von Drogen. In den letzten Jahre habe sich die Situation in dem Zusammenhang massiv verschlechtert. Wenige prozentuale Unterschiede in der Zusammensetzung beeinflussen die Dosierung und die Wirkung. Zusätzlich zu der undurchschaubaren Zusammensetzung kommen vereinzelt auch giftige Streckstoffe zum Einsatz, so der Toxikologe. Die Folge: Überdosierungen, bis hin zu Drogentoten.
Aufklärung statt Ausgrenzung
Die Experten sind sich einig, dass solch ein zusätzliches Angebot das Risiko des Konsums minimieren könnte. Da Drug-Checking auch nur in Kombination mit einer Beratung möglich ist, hätte man dadurch auch Kontakt zu Menschen, die die Beratungsstelle normalerweise nicht aufsuchen würden. So könnte man frühzeitig aufklären und präventiv handeln.
Voraussetzung für die Umsetzung des Projektes ist, dass das Land für den bevorstehenden Haushalt 2024 ein entsprechendes Budget einplant.
Laut dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration stehen aktuell die Restriktionen des Betäubungsmittelgesetz einem rechtssicheren Drug-Checking entgegen. Das Bundesgesundheitsministerium habe aber einen Gesetzentwurf zum Drug-Checking bis Ende des Jahres 2023 angekündigt. Dann wolle man die Schaffung eines wissenschaftlich begleiteten Modellprojekts prüfen, so ein Sprecher des Sozialministeriums bw gegenüber dem SWR.