Neckarbischofsheim trauert

Interview mit Bürgermeister aus Heimatstadt des in Mannheim getöteten Polizisten

Stand
Autor/in
Patrick Figaj
SWR Journalist Patrick Figaj

In Neckarbischofsheim sitzt der Schock tief: Die Stadt trauert um den Polizisten, der nach dem Messerangriff auf dem Mannheimer Marktplatz gestorben ist. Er stammt aus dem Ort.

Der Mannheimer Marktplatz steht bundesweit im Fokus. Die Bilder der Trauer gehen von hier aus in die Republik. Knapp 60 Kilometer weiter in Neckarbischofsheim (Rhein-Neckar-Kreis) ist die Trauer aber noch einmal greifbarer. Von hier stammt der Polizist Rouven L., der bei dem Messerangriff starb. 8.000 Menschen hatten am Montag in Mannheim bereits ihr Mitgefühl ausgedrückt. All das bekommen die Menschen in der kleinen Stadt Neckarbischofsheim mit. Auch hier erinnern Blumen an den 29-Jährigen. Bürgermeister Thomas Seidelmann (parteilos) kennt die Familie. Und den getöteten Polizisten. Er beschreibt im SWR-Interview eine tiefe Anteilnahme. Und einen engagierten Polizisten.

Thomas Seidelmann, Bürgermeister von Neckarbischofsheim
Thomas Seidelmann (parteilos), Bürgermeister von Neckarbischofsheim im Rhein-Neckar-Kreis

SWR Aktuell: Herr Seidelmann, überall zeigen die Menschen ihre überwältigende Anteilnahme. Wie nehmen Sie die Situation in Ihrer Stadt wahr?

Thomas Seidelmann: Ich muss selber jedes Mal ein klein bisschen schlucken. Wenn ich die Geschichte wieder höre, wird mir schlecht. Und ich glaube, so geht es den Menschen hier in Neckarbischofsheim auch. Wir sind ja nur 4.300 Menschen, keine Riesenstadt wie Mannheim. Bei uns liegt eine richtige Stille über dem Ort. Die Menschen sind ruhig, aber trotzdem kommunikativ. Ich habe so viele Gespräche, wenn ich mich durch den Ort bewege. Die Leute sprechen mich an und sagen "Mensch, was kann man denn machen?", oder "Es ist alles so schlimm". Es herrscht eine unglaubliche Betroffenheit. Die Anteilnahme ist sehr groß. Das haben mir auch die Eltern von Rouven bestätigt. Ich war dort. Wir haben lange gesprochen und diese Anteilnahme tut ihnen wirklich gut. Vor dem Geschäft der Familie liegen Blumen und dort stehen Kerzen. Es ist alles so traurig, aber es tut so gut zu sehen, wie empathisch die Menschen hier dann doch sind.  

SWR Aktuell: Vor dem Ladengeschäft der Eltern liegt ein Blumenmeer. Wie geht es der Familie im Moment, wenn man das überhaupt beschreiben kann?  

Seidelmann: Wir kennen uns. Ich habe eine sehr intensive Beziehung - auch zu Rouven - gehabt. Und natürlich sind bei dem Gespräch erst einmal Tränen geflossen. Sehr, sehr viele Tränen. Aber Tränen, die wirklich sehr wichtig waren. Die Familie ist am Boden, aber sie haben mir etwas gesagt, dass ich auch wirklich gerne teilen möchte: Das war der Satz "Wir werden nie verstehen warum, aber wir hoffen, dass der Tod von Rouven irgendwann auch noch einen Sinn hat". Rouven war ein leidenschaftlicher Polizist und er hat es wirklich gelebt. Er war ein Typ, der in den Raum kam und es war, als hätte einer eine starke Glühbirne angemacht. Er hatte eine unglaubliche Präsenz, eine unglaublich positive Ausstrahlung und er hat den Beruf so geliebt.  

Er hat aber auch immer gesagt "Warum sind wir so wenig geschützt?" Er hat sich so intensiv Gedanken gemacht, wie man Dinge verändern könnte, auch innerhalb der Polizei und der Gesellschaft, damit die Polizei ein anderes Standing hat. Er hat Arabisch gelernt, weil es ihm wichtig war, einfach die Menschen, mit denen er in Mannheim zu tun hatte - und er hat mit vielen Menschen zu tun, die diese Sprache sprechen - diese Menschen wirklich auf Augenhöhe kontaktieren zu können. 

 

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SWR Aktuell: Viele Menschen nehmen Anteil. Es gibt einen Spendenaufruf von Polizeikolleginnen und -kollegen. Es gibt eine Online-Petition, den Marktplatz in Mannheim sogar umzubenennen. Dennoch ist die politische Diskussion noch ganz am Anfang. Was können Sie als politisch Verantwortlicher, als Bürgermeister von Neckarbischofsheim, denn überhaupt tun?

Seidelmann: Wir kümmern uns jetzt erst einmal um die Familie. Ich möchte, dass die Familie geschützt ist. Das ist Arbeit genug. Wir haben uns aber auch intensiv mit der Trauerfeier beschäftigt. Haben uns mit der Polizei Mannheim abgestimmt. Wir haben hier gar nicht die Räumlichkeiten, um diese Menschenmasse, die bei einer Trauerfeier da sein wird, unterzubringen. Das heißt, das Ganze wird höchstwahrscheinlich in Mannheim stattfinden. Aber was wir machen im Ort: Wir werden hier am Freitag ein stilles Gedenken vor dem Rathaus veranstalten. Das beginnt um 18:30 Uhr. Die Menschen hier aus der Region, die kommen wollen, sind sehr, sehr herzlich eingeladen.

Ich werde in Abstimmung mit der Familie einige Worte sagen, und wir werden sehr, sehr still sein. Die Leute können am Rathaus eine Botschaft hinterlassen, die wir an die Eltern weitergeben, ein Briefchen schreiben oder eine Kerze anzünden. Das ist unser ganz persönlicher Abschied. Er war einfach ein unfassbar toller Mensch. 

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