Weinheim ist die größte Stadt im Rhein-Neckar-Kreis. Sie gilt als Wohnstadt in der Region. Und Taktgeber für viele kleinere Städte und Gemeinden im Umkreis von Mannheim und Heidelberg. Oberbürgermeister ist Manuel Just (CDU). Die Hälfte seiner ersten Amtszeit liegt hinter ihm. Im SWR-Interview sagt er ganz deutlich: Es gibt auch Grenzen für die Verwaltungen.

SWR Aktuell: Herr Just, wenn man mit Kolleginnen und Kollegen von Ihnen spricht, hat man das Gefühl, es breitet sich eine Art Erschöpfung aus. Wie schauen Sie auf die aktuelle Situation für die Kommunen?
Manuel Just: Ich habe das Gefühl, dass die Aufgabe immer ambitionierter wird. Wenn man das mit Blick in das gesamte Bundesgebiet versucht zu bewerten, können wir sagen, dass die Städte und Kommunen kurz vor einer Art Überforderung stehen. Das beginnt bei der Suche nach Räumen für Flüchtlinge. Immer weniger Grundstücke stehen zur Verfügung, die zu diesem Zweck genutzt werden können. Darüber hinaus die Fragestellung der Integration. Integrationshelfer stoßen an Grenzen, Kitaplätze fehlen. Plätze in den Schulen für Flüchtlinge fehlen. Auch für Weinheim ist das eine immens anspruchsvolle und fordernde Aufgabe.
SWR Aktuell: Was heißt das konkret?
Just: Wir setzen natürlich im Moment alles daran, vernünftige Anschlussunterkünfte zu errichten. Zumindest mal in Weinheim mit möglichst kleinen Einheiten. Weil wir für uns auch erkannt und festgestellt haben, je kleiner die Einheit, desto einfacher gelingt es ihnen, die Menschen dann auch in das Lebensumfeld zu integrieren.
Das heißt je größer die Einheit, desto schwieriger wird es, desto eher laufen sie Gefahr einer Ghettoisierung.
Und das wollen wir natürlich vermeiden. Und genauso wollen wir auch die Belegung von Turnhallen vermeiden. Denn das wiederum tut den Schulen und den Vereinen auf gut Deutsch weh. Und Zeltstädte am Rande unserer Stadt wollen wir natürlich auch vermeiden, weil das dem Flächenverbrauch letztendlich nicht gerecht wird. Ja, und insoweit ist es wirklich eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe, die die Kommunen da aktuell gestellt bekommen.
SWR Aktuell: Eine andere anspruchsvolle Aufgabe ist die der Kinderbetreuung. Viele Familien in ihrer Stadt haben kleine Kinder. Plätze und vor allem Erzieherinnen und Erzieher gibt es aber zu wenige.
Just: Das ist vielleicht der Bereich im öffentlichen Dienst, an dem im Moment der Fachkräftemangel am größten zu Tage tritt. Es gibt eine Vielzahl von Kitas, die einfach auf Grund von personellen Engpässen in den zurückliegenden Monaten die Öffnungszeiten nicht halten konnten. Wir in Weinheim haben beispielsweise auch Kitas gehabt, die vollständig schließen mussten. Und das alles in einem Umfeld, wo wir persönlich für uns noch glauben, dass wir sogar relativ gute Voraussetzungen haben.

SWR Aktuell: 2024 wird auch das Jahr der Wahlen. In Baden-Württemberg stehen Kommunalwahlen an. Wie blicken Sie mit Bezug auf die aktuelle politische Stimmung auf diese Wahl?
Just: Ich glaube, Menschen bindet man nicht alleine mit Wahlen und gewinnt sie nicht alleine mit Wahlen für die Demokratie. Das muss natürlich immer zwischen den Wahlen passieren. Und das ist in der heutigen Zeit schwer geworden.
Die wirtschaftlichen, die gesamtpolitischen Rahmenbedingungen sind teilweise mit einer überbordenden Bürokratie besetzt. Ich glaube, an der Stelle müssen wir uns auch ehrlich machen: Es ist ein Stück weit so schwer und komplex geworden, dass wir wirklich Gefahr laufen Teile - und nicht nur kleine Teile, sondern in meinen Augen weite Teile unserer Gesellschaft - zu verlieren.
Und dann müssen wir alles daran setzen, die Menschen wieder für die Demokratie, für unser System, für unsere Sichtweisen zu gewinnen.
Aber es wird, mit Verlaub, anstrengender und intensiver, gerade für Mandatsträger im kommunalpolitischen Umfeld. Weil diese natürlich genau mit diesen schwerwiegenden Themen umgehen müssen. Sei es der Fachkräftemangel, sei es die Flüchtlingskrise. Oder, wie beispielsweise in Weinheim, wo die Frage im Raum steht: Sollen wir ein Parkdeck und ein Hotel am Miramar bauen oder nicht? Und dann die Konflikte und das Konfliktpotenzial oftmals so groß sind, dass sich Politiker schwertun, richtige Entscheidungen zu treffen und die dann bestenfalls auch noch zu vermitteln.
SWR Aktuell: Das mögliche Parkdeck und Hotel für das Freizeitbad Miramar ist ein Thema, dass die Menschen in der Stadt bewegt. Wie schauen Sie auf dieses Projekt?
Just: Wir müssen zunächst abwarten, ob die Bürgerinitiative die erforderliche Anzahl an Unterschriften liefern kann, um dann möglicherweise den von ihr gewünschten Bürgerentscheid zu erwirken. Ich war von den Widerständen und der Vehemenz gegen dieses Projekt durchaus überrascht. Denn wir haben vom ersten Tag an seitens der Verwaltung immer das Ziel gehabt, ein Parkplatzproblem im Umfeld des Miramars, den Anwohnergebieten, zu lösen. Wir haben das Gespräch gesucht. Und die Interessenvertreter waren in jedem Gespräch mit dabei. Ich dachte, eine hervorragende Lösung gefunden zu haben. Mit dem Betreiber und dem Architekten. Wir waren uns alle einig. Und dann gab es einen Sturm der Entrüstung, weil - in meiner Wahrnehmung - ein Teil der Anwohner sich von den Interessenvertretern nicht angemessen und repräsentativ vertreten fühlte. Das war für mich überraschend. Sollte ein Bürgerentscheid kommen, müssen wir aber erst einmal dieses Ergebnis abwarten.
SWR Aktuell: Ein anderes Stichwort für viele Menschen in der Region ist der Glasfaserausbau. Sie selbst sind aktuell auf Werbe-Plakaten in der Stadt zu sehen. Warum?
Just: Anfang des Jahres 2023 haben wir im Gemeinderat ein Konzept vorgelegt, dass ein flächendeckendes und schnelles Internet für ganz Weinheim ermöglicht. Das war zu diesem Zeitpunkt für uns ein Durchbruch. Der Weg dahin ist dann aber nicht ganz reibungslos vonstatten gegangen. Weil nicht alle Firmen - insbesondere Subunternehmer - die von der "Deutschen GigaNetz" beauftragt wurden, den professionellsten Eindruck an den Haustüren vor Ort vermittelt haben. Das ist mittlerweile besser geworden. Aber bis vor wenigen Wochen lief da nicht immer alles optimal. Ich habe da aber ein stückweit ein kommunales Interesse, dass dieses Projekt gelingt. Warum?
Die 'Deutsche GigaNetz' würde bei einem flächendeckenden Ausbau zirka 50 - 60 Millionen Euro in unsere Stadt investieren.
Ich glaube, wenn wir dieses Projekt nicht umsetzen würden, und vielleicht in drei, vier, fünf oder acht Jahren feststellen würden, dass das Internet nicht mehr schnell genug ist, dann sehe ich die Gefahr, dass Bürgerinnen und Bürger kommen und sagen: Jetzt hat der Markt versagt. Und jetzt muss die Stadt investieren. Und diese 50 - 60 Millionen Euro, die hat die Stadt nicht. Nicht in drei, aber auch nicht in zehn Jahren.