Interview mit Mannheimer Pfarrerin

Ilka Sobottke seit 25 Jahren im Dienst der Gemeinde

Stand
Autor/in
Esther Uhrig
Onlinefassung
Laura Uzupyte
SWR-Reporterin Laura Uzupyte aus Mannheim.

"Die Kirche ist nicht nur für evangelische Kirchensteuerzahler, sondern sie gehört der Stadt" - diese These verfolgt Pfarrerin Ilka Sobottke in ihrer CityKirche Konkordien.

25 Jahre CityKirche Konkordien Mannheim: Ilka Sobottke kann auf viele Veränderungen in ihrer Gemeinde zurückblicken. Auch Jahre als Sprecherin des "Wort zum Sonntag" in der ARD und ihre "Gedanken" im SWR-Hörfunk machten die Pfarrerin weit über Mannheim hinaus bekannt.

SWR Aktuell: Wie blicken Sie ganz persönlich auf diese 25 Jahre zurück? 

Ilka Sobottke: Als ich hierher kam, war ich eine junge Frau Anfang 30 und dachte: na ja, jetzt bin ich hier mal ein Jahr, wenn es nicht so gut ist. Oder eben fünf Jahre, wenn es gut läuft. Ich bin wirklich so lange geblieben, weil wir ganz viele neue Ideen an dieser Kirche realisieren konnten. Und ich freue mich wirklich sehr, dass viele Sachen hier gelungen sind, die ich mir als junge Frau erträumt habe, wie es in der Kirche sein sollte. 

SWR Aktuell: Was hat sich denn verändert?  

Ilka Sobottke: 4000 Menschen gehörten zur Gemeinde als ich kam und sie waren in Trauer. Zum Vergleich: In den 1960er und 70er Jahren gehörten etwa 20.000 Leute zu dieser Gemeinde. Die Wohnbevölkerung hatte sich verändert. Viele hatten in der Kirche so eine Wagenburgmentalität: Sie hatten das Gefühl, man muss sich davor schützen, dass auf einmal Menschen aus anderen Ländern kommen, die was anderes glauben. Deshalb habe ich damals eine kleine Clique von Leuten zusammengesucht und wir waren der Auffassung, man muss die Kirche aufmachen und sich mit dem verbinden, was im Sozialraum rundherum passiert. Sie gehört nicht den evangelischen Kirchensteuerzahlern allein - sie gehört der Stadt, denn wir sind hier so mittendrin, und das ist ein großer, offener Raum.

Die CityKirche Konkordien in der Mannheimer Innenstadt
Ausrichter und Ort der Mannheimer Vesperkirche: Die CityKirche Konkordien in der Mannheimer Innenstadt

Heute ist vieles anders: Die Kirche ist jeden Tag offen, es kommen ganz verschiedene Leute in die Kirche, es spielen regelmäßig Kinder auf der Wiese. Das macht mich sehr glücklich, dass diese Kirche jetzt auch ein Begegnungs- und Hoffnungsort geworden ist. Christen, Juden und Muslime beten und feiern zusammen. Ich finde, so muss eine Kirche sein, dass sie offen ist und dass Menschen zusammenkommen, dass sie wie ein Brückenkopf funktioniert. Ein großes Beispiel für dieses Miteinander ganz unterschiedlicher Menschen ist die Vesperkirche. 

Vesperkirche in Mannheim

SWR Aktuell: Was heißt das genau?

Ilka Sobottke: Ich bin 1999 gekommen und habe 2000 im Januar meine erste Vesperkirche erlebt. Da habe ich gedacht, es kann doch nicht sein, dass die Kirche vier Wochen lang voll ist und die Menschen miteinander so vieles erleben, und dass dann einfach die Tür wieder zugemacht wird und dann ein Jahr lang wieder fast nichts passiert - außer einmal am Sonntag ein Gottesdienst, in den vielleicht zehn oder 15 Leute kommen.

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Das war der Punkt zu sagen: diese Kirche kann ganz anders funktionieren. Ich glaube, das erlebt man jetzt immer wieder in der Vesperkirche. Bei uns kommen inzwischen 600 bis 700 Gäste am Tag. Ob sie Muslime sind oder ob sie an gar nichts glauben, ob sie katholisch oder evangelisch sind - wir fragen ja nie, was für eine Konfession jemand hat, bevor wir ihnen etwas zu Essen anbieten. Für uns ist wichtig, dass hier alle kommen dürfen und dass alle willkommen sind und insbesondere eben alle Menschen, die irgendwie in Not sind. 

Stadt Mannheim hat sich verändert

SWR Aktuell: Die CityKirche Konkordien, wie der Name es schon sagt, ist mitten in der Stadt. Das heißt, sie kriegen immer hautnah mit, wenn etwas passiert. Es heißt, dass die Stadtgesellschaft seit dem Marktplatz-Attentat verändert hat. Wie erleben Sie das? 

Ilka Sobottke: Ich nehme es schon so wahr, dass über Monate hinweg eine gesteigerte Aggression zu spüren war. Gerade mit den "Free Palestine"-Demos, die wir bis hier herhören. Wir erleben aber auch, dass jüdische Nachbarn sagen, sie können nicht mehr über den Marktplatz laufen. Viele von ihnen fühlen sich unwohl, wenn sie zum Gottesdienst gehen möchten. Wir kriegen eben auch andere Feste mit, wie zum Beispiel, als am Marktplatz die syrischen Mitmenschen gefeiert haben, dass Assad nicht mehr an der Macht ist.

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Nach dem Attentat war ich eigentlich fast jeden Tag am Marktplatz. Ich habe gesehen, wie Menschen an dieser Stelle, wo Rouven Laur ermordet wurde, gebetet haben.

Und auch da kamen ganz unterschiedliche Menschen zusammen. Ich glaube, dass wir uns das nicht nehmen lassen dürfen. Dass wir trotz der schrecklichen Sachen, die passiert sind, eine bunte Stadt sind, in der es auch immer noch einen großen Zusammenhalt gibt. Dass wir nach wie vor darauf vertrauen, dass hier Menschen in Frieden miteinander leben, die so ganz unterschiedlich sind. 

SWR Aktuell: Sie haben auch ein paar Jahre lang das Wort zum Sonntag gesprochen. Wie war das? 

Ilka Sobottke: Da habe ich wahnsinnig viel gelernt. Da redet man zu Menschen, die Zuhause mit einem Glas Wein auf dem Sofa sitzen und gerade die Tagesthemen geschaut haben. Da habe ich noch mehr ein Gespür bekommen, darauf zu achten, was die Menschen wirklich beschäftigt und was für sie am wichtigsten ist. Das ist aber auch eine Situation, in der man mutig sein sollte, sich mit Dingen auseinandersetzen und damit rechnen, dass man auch Gegenwind bekommen kann. Das habe ich auch in der Stadt erlebt. Ich glaube aber, wenn wir als Kirche relevant sein und bleiben wollen, dann ist das offene Wort und das auszusprechen, was für uns wichtig ist und das hinauszutragen in die Stadtgesellschaft.

SWR Aktuell: In die Zukunft geschaut: Sie haben gesagt, sie haben viel erreicht in diesen 25 Jahren. Wohin muss die evangelische Kirche in Mannheim sich noch entwickeln? 

Ilka Sobottke: Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass wir immer wieder sehen: Wir sind eben nicht nur verantwortlich für evangelische Kirchensteuerzahler. Wir sind verantwortlich für die Stadt und für den Sozialraum, in dem wir uns bewegen. Wir sind hier mitten in der Stadt, wo wir so vieles mitkriegen von dem, was passiert. Wir sind dafür verantwortlich, einen Raum zu öffnen, in dem Menschen Hoffnung finden. Aber auch, wo Menschen die Chance haben, einander zu begegnen und wo auch Versöhnung und Trost möglich werden.

Ich glaube, dafür ist so ein besonderer Spirit, nötig, um nicht ängstlich zu sein. Ich glaube, unsere Kirche müsste noch mutiger werden, die Türen weit aufzumachen. Das passt sehr gut zum Advent, wenn man sagt, macht hoch die Tür – also die Türen weit aufzumachen. Da kann dann auch mal ein kalter Wind reinkommen. Das ist nicht immer nur einfach, aber es ist nötig, damit wir als Kirche überhaupt einen Sinn machen, damit die Existenz der Kirche Veränderungen bringen kann. Und jetzt freue ich mich sehr, dass wir nach dem Umbau die Türen wieder weit aufmachen können und da wieder unseren Teil beitragen können.  

Das Dienstjubiläum von Pfarrerin Ilka Sobottke ist am dritten Advent, dem 15. Dezember, mit einem Gottesdienst und einem Fest gefeiert worden. Den Gottesdienst um 11 Uhr gestaltete Ilka Sobottke mit Weggefährten und Weggefährtinnen sowie Dekan Ralph Hartmann.

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