Interview mit Hans-Jürgen Hennes vom Uniklinikum Mannheim

"Wollen eine der modernsten Kliniken Deutschlands sein"

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Das Uniklinikum Mannheim feiert 100-jähriges Bestehen. SWR Aktuell hat mit Prof. Hans-Jürgen Hennes gesprochen, dem Medizinischen Geschäftsführer und
Ärztlichen Direktor des Klinikums.

SWR Aktuell: 100 Jahre Klinikum – wobei der Bau an sich gefeiert wird – Was wünschen Sie sich zu diesem Jubiläum?

Prof. Dr. Hans-Jürgen Hennes: Wir wünschen uns, dass wir so wie damals vor hundert Jahren auch sehr zeitnah wieder einen Neubau bekommen, der dann eine der modernsten Universitätskliniken in Deutschland sein wird.

SWR Aktuell: Wie wird denn die Neue Mitte das Klinikum verändern?

Hans-Jürgen Hennes: Also wir planen die Neue Mitte als Zentralgebäude. Wir sind ja jetzt im sogenannten Pavillon-System, also mit ganz unterschiedlichen, weit auseinanderliegenden Gebäuden. Das ist nicht mehr zukunftsfähig, weil einfach die Wege zu weit sind, die Abteilungen liegen zu weit auseinander. Und wir brauchen die “Neubau Situation”, um einfach kürzere Wege sowohl für die Ärzte als auch für die Patienten anbieten zu können und dadurch dann eben auch eine interdisziplinäre Versorgung zu erleichtern.

Neue Mitte Mannheim
Der Neubau des Uniklinikums umfasst den Kernbereich des Klinikgeländes und heißt deshalb "Die Neue Mitte"

SWR Aktuell: In welchen Bereichen sehen Sie denn Mannheim als führend an aus medizinischer Sicht?

Hans-Jürgen Hennes: Es gibt verschiedene Grundlagenforschungsbereiche, zum Beispiel Gefäßerkrankungen. Wir sind auch stark im Bereich der neurologischen Erkrankungen, vor allen Dingen bei Fehlbildungen im Kindesalter. Wir haben sehr viel in Sachen Medizintechnik in den letzten Jahrzehnten mitentwickeln können. Kardiologie und Gefäßerkrankungen sind damit unsere großen Forschungsschwerpunkte.

Urologie und Frauenheilkunde

In der Patientenversorgung sind es im Wesentlichen die Urologie und die Frauenheilkunde. Vor allem da hatten wir in den letzten Jahren einen stärkeren Zulauf in Sachen Geburtshilfe, die wir noch weiter ausbauen. Aber auch in der Dermatologie und in der Kinderheilkunde insgesamt, also auch in den Subspezialitäten wie zum Beispiel Kinderurologie und Kinderneurochirugie. Die Aufzählung ist sicher nicht vollständig, aber das sind einige wesentliche Schwerpunkte.

Haupteingang des Uniklinikums Mannheim
Haupteingang des Uniklinikums Mannheim

SWR Aktuell: Inwiefern beeinträchtigt denn der Zwang zur Wirtschaftlichkeit die Qualität der Patientenversorgung?

Hans-Jürgen Hennes: Ja, der Zwang für Wirtschaftlichkeit darf natürlich die Qualität der Patientenversorgung nicht gefährden. Insofern ist es immer eine gewisse Gratwanderung. Und deshalb spezialisieren wir uns, was auch die Aufgabe der großen Krankenhäuser ist.

Durch die Zuweisung von anderen Krankenhäusern entwickeln sich die Fallzahlen in diesen komplexen und spezialisierten Bereichen dementsprechend, und das führt dann doch wieder zu einer gewissen Wirtschaftlichkeit. Dass es momentan bezüglich der wirtschaftlichen Situation in den deutschen Krankenhäusern allgemein aber nicht sehr gut aussieht, weiß denke ich jeder.

SWR Aktuell: Stichwort “städtische Trägerschaft” – ist diese Idee heute überhaupt noch zeitgemäß?

Hans-Jürgen Hennes: Die Trägerschaft ist deswegen problematisch, weil die Refinanzierung und vor allem auch die Investitionsfinanzierung in dem Neubau nicht gesichert sind. Insofern ist die Frage der Trägerschaft dafür nicht entscheidend. Nur, wenn sich daran zeitnah nichts ändert, dann ist die Stadt mit ihren Finanzierungsmöglichkeiten irgendwann damit überfordert.

Mannheim

Großer Jubiläumsfestakt Uniklinikum Mannheim: "100 Jahre Gesundheit am Neckar"

Die Universitätsmedizin Mannheim feiert "100 Jahre Gesundheit am Neckar". Im Juli 1922 war das Klinikgebäude am Theodor-Kutzer-Ufer offiziell eingeweiht worden

SWR Aktuell: Mit Heidelberg ist eine Verbundlösung angekündigt und angestrebt. Was bedeutet das in aller Kürze denn konkret?

Hans-Jürgen Hennes: Konkret bedeutet das, dass wir zu dem, was sich in der Vergangenheit an Kooperation und Zusammenarbeit schon mehr oder weniger von alleine ergeben hat, eine gemeinsame strategische Planung erarbeiten, um die beiden Standorte in den einzelnen Unterschwerpunkten komplementär aufzustellen. Das heißt, dass nicht jeder dasselbe anbietet, sondern dass wir uns bestimmte Behandlungs- und Versorgungsschwerpunkte untereinander aufteilen und dadurch gemeinsam stärker werden. Aus medizinischer Sicht ist das durchaus sinnvoll.

Hans-Jürgen Hennes, Medizinischer Geschäftsführer und Ärztlicher Direktor Umm
Hans-Jürgen Hennes, Medizinischer Geschäftsführer und Ärztlicher Direktor UMM

SWR Aktuell: Sie sagen, aus medizinischer Sicht ergibt es Sinn. Gibt es andere Bereiche, aus deren Sicht es keinen Sinn ergibt?

Hans-Jürgen Hennes: Nein, es gibt auch noch eine ganze Reihe von anderen möglichen Synergieeffekten. Bei Sekundär- und Tertiärleistungen zum Beispiel, also die Leistungen bezüglich Logistik und der allgemeinen Versorgung. Auch aus dieser Sicht ist es sinnvoll.

Es ist aber ein Prozess, der eine gewisse Zeitschiene braucht, auch in der Planung. Wir sind zwar derzeit in engen Abstimmungsgesprächen, aber das wird sicherlich noch eine gewisse Zeit dauern, um ein dauerhaft tragfähiges Konzept zu entwickeln.

SWR Aktuell: Zum Schluss noch ein kurzer Rückblick, und zwar auf den Hygieneskandal. Inwiefern hatte damals das Image gelitten und bleiben noch Spuren übrig?

Hans-Jürgen Hennes: Dass solche Themen erstmal bei den Patienten, aber auch bei den Mitarbeitern zu Verunsicherungen führen, ist nachvollziehbar. Aber das liegt jetzt schon so lange zurück, dass es aus unserer Sicht keine Rolle mehr spielt. Und ich denke, wir haben da hinreichend unsere Hausaufgaben gemacht.

SWR Aktuell: Wir hatten zwischenzeitlich immer wieder berichtet, dass die Patientenzahlen noch nicht auf dem Vorniveau waren. Wie sieht es da in der Richtung aus? Heißt es die Patientenzahlen sind wieder auf dem normalen Stand?

Hans-Jürgen Hennes: Es gibt keinen normalen Stand, weil sich die Medizin stetig verändert. Und der Rückgang der Patientenzahlen – und das trifft viele andere Krankenhäuser auch – hat nichts mit der Vergangenheit hier in Mannheim zu tun, sondern ist auf die “Ambulantisierung” zurückzuführen.

Viel mehr ambulante Patienten

Das bedeutet, es werden heute Eingriffe ambulant durchgeführt, die früher zwingend stationär durchgeführt werden mussten. Deswegen ist der Vergleich der Fallzahlen mit der Vergangenheit nicht zielführend. Zur gleichen Zeit hat sich auch die Erkrankungs- und Verletzungsschwere der Patienten deutlich nach oben verändert. Patienten, die vor sieben oder acht Jahren noch in Mannheim stationär versorgt wurden, werden jetzt ambulant versorgt und werden deswegen bei den stationären Patienten nicht mehr mitgezählt.

Wenn man beachtet, dass unsere Hochschulambulanzen über 200.000 Patienten ambulant versorgen, dann erkennt man die Verschiebung in den ambulanten Sektor. Das ist aber eine politisch gewollte und aus der Sicht der Patienten eine sinnvolle Veränderung.

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SWR