"Catcalling" klingt fast zu niedlich für das, was das Wort beschreibt - nämlich verbale sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum. Dazu zählen Sprüche wie: "Die würde ich gerne fesseln und f***n" - oder Pfiffe und anzügliche Geräusche. Belästigungen, die sich vor allem Frauen und queere Menschen anhören müssen. Die Aktivistinnen-Gruppe "Catcalls of Mannheim" hat das Ziel, auf sie aufmerksam zu machen. Denn verbale sexuelle Übergriffe finden zwar in der Öffentlichkeit statt, werden aber oft überhört.
"Ankreiden" nennen sie das, was sie tun: Belästigungen und Übergriffe mit Kreide auf die Straße schreiben, dort wo sie passiert sind. Rund 300 Nachrichten mit Vorfällen von Betroffenen bekommen die @catcallsof_mannheim im Jahr auf Instagram. Damina Terzic hat die Gruppe im Jahr 2020 gegründet, nachdem sie selbst verbal sexuell belästigt wurde. Auch Eva und Rebecca engagieren sich, weil sie sexuelle Übergriffe erlebt haben. Ursprünglich wurde das Ankreiden in New York ins Leben gerufen, mittlerweile gibt es Catcalls-Gruppen in vielen Städten in Deutschland.
Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen
In dieser Woche kreiden die drei Aktivistinnen nicht nur Belästigungen wie: "Du wackelst aber ganz schön mit deinem Ar***, den würde ich gerne richtig durchkneten", an. Sie machen auch auf den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen aufmerksam. "Das ist kein "Familiendrama"! Das ist Mord/Femizid!" schreiben sie zum Beispiel auf die Straße vor den Mannheimer Hauptbahnhof. Sie wollen darauf aufmerksam machen, dass "alle 72 Stunden eine Frau durch ihren Ehemann, Ex-Partner, Freund, Bruder oder Vater stirbt", sagt Damina Terzic. Eva fügt hinzu: "Wenn Fälle in den Medien als "Familiendramen" bezeichnet werden, wo Ex-Männer ihre Frauen umbringen, weil sie nicht ihren Vorstellungen entsprechen, dann wird Gewalt verherrlicht."
Catcalling ist auch Gewalt
Auch Catcalling sei einer Form der psychischen Gewalt, sagen die Aktivistinnen. Denn verbale sexuelle Belästigung schüchtere ein, mache Angst vor körperlichen Übergriffen. Betroffene würden dadurch aus dem öffentlichen Raum verdrängt. Das bestätigen Zahlen der UN Women Deutschland: 58 Prozent der Frauen in Deutschland meiden nachts bestimmte Straßen, Plätze oder Parks, 52 Prozent meiden nachts den ÖPNV. In einer bundesweiten Stichprobe der Hochschule Merseburg von 2020 gaben 89 Prozent der Frauen an, bereits durch "anzügliche Bemerkungen, Witze oder Kommentare" sexuell belästigt worden zu sein. Bei den divers-geschlechtlichen Personen waren es 88 Prozent, bei den Männern 29 Prozent.
Ankreiden verboten? Bürokratische Hürden
Nicht jeden Übergriff können Damina, Eva und Rebecca dort ankreiden, wo er passiert ist. Der Grund: Für jede Kreide-Aktion benötigten sie in der Vergangenheit eine Sondergenehmigung der Stadt Mannheim. An bestimmten Orten, wie etwa in den Planken, wo die Steine neu seien und regelmäßig nass gereinigt würden, dürften sie nicht ankreiden, sagt Terzic. Verständnis haben die Aktivistinnen dafür nicht. "Es ist wirklich einfach nur Straßenkreide, wenn man darüber läuft, ist sie bald weg. Wenn die Steine eh oft gereinigt werden, warum ist das dann ein Problem?".
Die Stadt Mannheim teilte dem SWR auf Anfrage mit, Kreidemalereien von Kindern würden geduldet, Kreideaktionen von Erwachsenen unter einfachen Auflagen genehmigt. So müsse die Kreide zum Beispiel wasserlöslich und spätestens nach sieben Tagen wieder entfernt sein. Mittlerweile hat die Gruppe eine Sondergenehmigung für ein ganzes Jahr bekommen. Wie restriktiv Städte in Baden-Württemberg mit Kreideaktionen von Catcalls-Gruppen umgehen, ist nach SWR-Informationen unterschiedlich und liegt in der Hand der Kommunen.
Catcalling in Deutschland nicht strafbar
Bisher gibt es kein Gesetz in Deutschland, das nicht-körperliche sexuelle Belästigung verbietet. Andere europäische Länder sind da weiter. In Portugal, Spanien, Frankreich, Belgien und den Niederlanden gilt Catcalling als Straftat oder Ordnungswidrigkeit und wird meist mit Bußgeldern belegt. Antonia Quell, eine Studentin aus Fulda, hatte 2020 in einer Online-Petition gefordert, dass Catcalling strafbar wird. Im Juni dieses Jahres hatte die SPD-Bundestagsfraktion in einem Positionspapier vorgeschlagen, erhebliche verbale sexuelle Belästigung strafbar zu machen.