Die Landesregierung will mit einem Bündel von 254 Maßnahmen ihre Klimaziele erreichen. Das bisher unter Verschluss gehaltene Register mit den konkreten Maßnahmen liegt dem SWR und dem "Badischen Tagblatt" vor. Es ist eine Art Hausaufgabenheft für alle Ministerien. Darin wird kleinteilig aufgezählt, mit welchen Anschaffungen, Umbauten oder Reformen CO2 eingespart werden soll.
Polizei soll elektrifiziert werden
Einige Beispiele: Innenminister Thomas Strobl (CDU) soll mit der Anschaffung von E-Autos dafür sorgen, dass die Polizei mit ihren 5.300 Einsatzfahrzeugen künftig sauberer unterwegs ist. Er hat sich allerdings vorbehalten, dass die "erforderliche und uneingeschränkte Verfügbarkeit der Einsatzfahrzeuge zur polizeilichen Aufgabenerfüllung" im Vordergrund steht.
Zudem will das Land bei seinen Beteiligungen wie der Rothaus-Brauerei, Toto-Lotto, der L-Bank oder dem Flughafen Stuttgart noch konsequenter auf den Klimaschutz achten. Selbst folgende Maßnahme steht in dem Papier: "Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kultusministeriums stehen für Dienstgänge drei Pedelecs zur Verfügung."
Konsequentere Mülltrennung in den Kommunen
Die Kommunen sollen sich verstärkt um eine bessere Mülltrennung kümmern. Der Anteil von Bioabfällen im Hausmüll liege derzeit bei 40 Prozent und sei damit viel zu hoch. Bis 2030 soll der Anteil halbiert werden. Die Stadt- und Landkreise sollen Abfallanalysen machen, die dann alle drei Jahre überprüft werden.
Unter dem Strich ist das neue Register eine Liste mit vielen bereits bekannten oder schon eingeleiteten Maßnahmen. Neu ist, dass der Klima-Sachverständigenrat überwachen sollen, ob die Ministerien auch wirklich liefern. Sanktionen, wenn Ziele nicht erreicht werden, gibt es vorerst jedoch nicht. Die Landesregierung will das Maßnahmenregister am 14. Februar im Kabinett beschließen und anschließend vorstellen.
Klimaneutralität bis 2040
Erst am Mittwoch hatte der Landtag das neue Klimaschutzgesetz beschlossen. Danach soll der Ausstoß von Treibhausgasen innerhalb von sieben Jahren um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden. Bis 2040 will das Land klimaneutral sein. Um das zu schaffen, verankert Baden-Württemberg als erstes Bundesland konkrete Klimaziele für Verkehr, Gebäude und Wirtschaft im Gesetz. Das Register sollte eigentlich gleichzeitig geliefert werden, doch zwischen Grünen und CDU wurde bis zuletzt um einzelne Punkte gerungen.
Klimaneutral bis 2040 Baden-Württemberg beschließt neues Klimaschutzgesetz
Bis 2040 will das Land klimaneutral sein. Das steht im neuen Klimaschutzgesetz, das am Mittwoch vom Landtag beschlossen wurde. Während die Grünen von einem Meilenstein sprechen, sieht die Opposition im Gesetz mehr Schein als Sein.
Während die grüne Umweltministerin Thekla Walker das Gesetz als das "ehrgeizigste, das weitreichendste und das umfassendste" in Deutschland preiste, ist der Koalitionspartner CDU zurückhaltender. Der Umweltexperte Raimund Haser sagte dem SWR, das Register zeige, dass es beiden Seiten ernst sei mit dem Klimaschutz. "Es zeigt aber auch, wie eingeschränkt die Möglichkeiten der Landesregierung sind." Vieles könne eben nur auf europäischer oder Bundesebene entschieden werden. Haser nannte als Beispiel die Verlängerung der Laufzeiten der verbliebenen drei Atomkraftwerke - darüber entscheide der Bund. Die CDU ist dafür, dass Neckarwestheim II und die beiden AKW in Bayern und im Emsland wegen der Energiekrise zunächst weiterlaufen können.
Neues Mobilitätskonzept
Fest steht, dass sich ab sofort die einzelnen Ressorts um Fortschritte kümmern müssen. Alle Pläne sind ab Mitte Februar online einsehbar. Grundsätzlich ist vorgesehen, "die Einführung neuer sowie die Fortschreibung bestehender Förderprogramme des Landes unter einen Klimavorbehalt zu stellen mit dem Ziel, Landesmittel künftig nur noch für Programme ohne negative Klimawirkung auszugeben".
Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat große Teile seines Mobilitätskonzepts in dem Register untergebracht. So sollen bis 2030 mindestens 20 Radschnellwege fertiggestellt sein. Auch die geplante Ausweitung der Maut für Lastwagen auf Landes- und Kreisstraßen steht drin, obwohl die CDU-Fraktion wegen der Inflation und der Energiekrise große Zweifel angemeldet hat.
Massive CO2-Reduktion im Verkehr nötig
Klar ist: Um die Klimaziele zu erreichen, müssen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ihre Anstrengungen vervielfachen. Vor allem beim Verkehr dürfte es im Autoland Baden-Württemberg schwer werden, den hohen CO2-Ausstoß schnell zu senken. Selbst Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte erklärt, dass er darin ein Problem sieht. Wurden im Verkehr im Jahr 1990 noch 20,3 Millionen Tonnen ausgestoßen, waren es 2019 sogar 22,2 Millionen Tonnen. Das Ziel bis 2030 ist aber: 9,2 Millionen Tonnen. Der Ausstoß müsste um 58 Prozent heruntergehen.
Auch im Gebäudebereich steht das Land vor großen Herausforderungen. Im Jahr 1990 wurden hier mehr Treibhausgase ausgestoßen als im Verkehr, nämlich 21 Millionen Tonnen. Bis 2019 hat sich das etwas gebessert auf 17,6 Millionen Tonnen. Doch bis 2030 soll dieser Wert auf 10,7 Millionen Tonnen sinken, das wäre ein Minus von 39 Prozent. Und das erfordert massive Investitionen in Dämmung und erneuerbare Energien bei Wärme- und Stromerzeugung.
Energiewirtschaft muss Emissionen um 68 Prozent senken
Die Energiewirtschaft, die sich derzeit wegen der Folgen des Ukraine-Kriegs erneut umstellen muss, muss ebenfalls die Emissionen kräftig senken. 1990 lag der Ausstoß bei 19,9 Millionen Tonnen, 2019 noch bei 15,9 Millionen Tonnen. In sieben Jahren soll er bei 5,1 Millionen Tonnen liegen, ein Rückgang um 68 Prozent. Um die Vorgaben für 2030 zu erreichen, müsste es bei dem Datum für den bisher geplanten Kohleausstieg im selben Jahr bleiben.
Die Emissionen der Industrie im Land müssen auch stark gesenkt werden. Im Jahr 1990 lagen diese bei 18,8 Millionen Tonnen, 2019 noch bei 12,7 Millionen Tonnen. 2030 sollen es nur noch 7,2 Millionen sein, ein Minus von 43 Prozent. Und nicht zuletzt die Landwirtschaft soll verstärkt zum Kampf gegen den Klimawandel beitragen. 1990 wurden hier 6,1 Millionen Tonnen Treibhausgase ausgestoßen, 2019 noch 4,9 Millionen Tonnen. Das Ziel für 2030: 3,7 Millionen Tonnen.