Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat die EU-Einigung auf verschärfte Asylverfahren erneut verteidigt. Arbeitsmigration müsse legalisiert, aber irreguläre Migration eingedämmt werden, sagte der Grünen-Politiker in der Nacht zu Donnerstag in der ZDF-Sendung "Markus Lanz". Auch wenn es noch keinen echten Verteilmechanismus gebe, sei der Kompromiss ein sehr guter Anfang.
Angesprochen auf die Kritik, dass die Migranten an den EU-Außengrenzen wie in Gefängnissen leben sollen, entgegnete er: "Man kann sowas natürlich immer mit solchen Verbalinjurien belegen." Es sei aber keine Haft, sagte Kretschmann. "Die Leute können ja zurück. Das ist doch keine Haft." Das Asylrecht sei mit der Vereinbarung weiter gewährleistet.
In der Sendung betonte Kretschmann, Arbeitsmigration müsse legalisiert, aber irreguläre Migration eingedämmt werden:
Flüchtlingsrat: Kretschmann-Aussage schürt "rechtsextreme Szenarien"
Der Kompromiss sei der Beginn dessen, dass alle Verantwortung übernehmen müssten in Europa, sagte Kretschmann in der Sendung. Wenn Deutschland zum Schluss das einzige Land sei mit einer liberalen Flüchtlingspolitik, alle dorthin wollten und alle anderen zumachten, dann "platze" es irgendwann und funktioniere nicht mehr.
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg reagierte mit beißender Kritik auf die Äußerungen des Regierungschefs. Diese seien "menschenverachtend und drohen, rechtspopulistische Kräfte in Baden-Württemberg weiter zu stärken". Kretschmanns Aussagen schürten "rechtsextreme Szenarien der Überfremdung", kritisierte der Flüchtlingsrat am Donnerstagmorgen.
Grüne Jugend entsetzt über Kretschmanns Äußerung
Auch die Grüne Jugend wirft Kretschmann vor, rechte Narrative zu bedienen. Sie sei entsetzt und könne nicht nachvollziehen, wie sich ein grüner Ministerpräsident so unsensibel und fernab aller Tatsachen in der Asylthematik äußere, so die Sprecher der Nachwuchsorganisation gegenüber dem SWR. Menschen würden vor Krieg und aus Angst fliehen und könnten nicht einfach zurück. Zustimmung kommt dagegen vom Gemeindetag. Es brauche eine bessere Zugangssteuerung, weil die Aufnahmekapazitäten in den Kommunen erschöpft seien.
"Keine grüne Position" Verschärfte Asylverfahren: Grüne Jugend gegen Kretschmanns Sicht
Die EU-Staaten haben sich auf einen deutlich härteren Umgang mit Asylbewerbern geeinigt. Der BW-Ministerpräsident lobt die Bundesregierung für den Kompromiss. Es gibt aber auch Kritik.
Weniger umstritten als in seiner eigenen Partei dürften Kretschmanns Aussagen zum EU-Asylkompromiss bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin sein, meint der SWR-Hauptstadtkorrespondent Sebastian Deliga:
EU will Asylverfahren verschärfen
Nach dem EU-Beschluss ist unter anderem ein härterer Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vorgesehen. So sollen Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Einrichtungen kommen - auch Familien mit kleinen Kindern. Dort soll dann innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob die Antragsteller Chancen auf Asyl haben. Wenn nicht, sollen sie umgehend zurückgeschickt werden.
Die Bundesregierung hatte sich in den Verhandlungen dafür eingesetzt, dass Familien mit minderjährigen Kindern von den sogenannten Grenzverfahren ausgenommen werden. Um den Durchbruch zu ermöglichen, musste sie letztlich akzeptieren, dass auch Familien betroffen sein könnten. Auch unter den Partei- und Fraktionsspitzen der Grünen selbst gibt es keine Einigkeit über die Bewertung der Einigung.