Kritik an Berliner Zentralismus

BW-Krankenhausgesellschaft verschärft Kritik an geplanter Klinikreform: Zwei Drittel der Häuser gefährdet

Stand
Autor/in
Henning Otte
SWR-Reporter und -Redakteur Henning Otte, SWR Landespolitik
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Matthias Roman Schneider
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In Baden-Württemberg soll es künftig weniger kleine Krankenhäuser geben. Große Kliniken sollen das Flächenland abdecken. Die Krankenhausgesellschaft kritisiert das scharf.

Die von Bund und Ländern geplante Krankenhausreform wirft ihre Schatten voraus. Vor allem in Baden-Württemberg und Bayern macht die Krankenhausgesellschaft massiv Front dagegen. Am Montag stellte sie in Berlin eine Folgenabschätzung vor. In Baden-Württemberg heißt ihre Frage: Reichen 50 Kliniken mit Geburtshilfe in einem Flächenland aus?

Die baden-württembergische Krankenhausgesellschaft hat ihre Kritik an der geplanten Klinikreform noch einmal deutlich verschärft. Sogar mehr als zwei Drittel aller Kliniken in Baden-Württemberg seien gefährdet, wenn die Vorschläge der Expertenkommission des Bundes umgesetzt würden, so der Landesvorsitzende der Krankenhausgesellschaft, Heiner Scheffold, am Montag in Stuttgart. Vergangene Woche hieß es noch, mehr als die Hälfte der Kliniken sei durch die Reform bedroht.

Mehr als zwei Drittel der Kliniken in Baden-Württemberg gefährdet

Wenn es zu der geplanten Konzentration und Spezialisierung kommt, bleiben nach Angaben der Krankenhausgesellschaft in Baden-Württemberg nur etwa 50 Kliniken übrig. Von den im Land untersuchten 186 Krankenhäusern wären lediglich 33 in den Versorgungsstufen 2 und 3. Das sind die Krankenhäuser, die die hohen Ansprüche der Regierungskommission erfüllen. "Nur an diesen Häusern wäre künftig zum Beispiel eine Geburtshilfe vorgesehen", erklärt Scheffold.

Vor allem auf dem Land würden über 100 kleinere Kliniken wegfallen. Derzeit seien lediglich 17 Krankenhäuser auf dem Land so eingestuft, dass sie weiter existieren könnten, so der Verbandschef, der auch Landrat im Alb-Donau-Kreis ist. Die verbleibenden Kliniken wären demnach "Basisversorger" mit einem stark eingeschränkten Angebot.

Krankenhaussterben auf dem Land und in Städten droht

Aber auch mittlere und größere Krankenhäuser in Städten seien von einer Schließung bedroht. "In den Städten sind große Krankenhäuser, die bislang Spitzenmedizin in einzelnen Fachgebieten erbringen, gefährdet, weil sie eben keine Stroke Unit (auf Schlaganfall spezialisierte Abteilung) oder keine Geburtshilfe haben. Auf dem Land dürfte es sowieso kaum ein Krankenhaus schaffen, diese enormen Vorgaben zu erfüllen."

Laut Scheffold ist es ein schwerer Fehler, wenn zentralistisch vorgegeben wird, wie viele Kliniken es am Bodensee, im Schwarzwald, in Freiburg und in Stuttgart geben darf. Das Berliner Konzept ignoriert aus seiner Sicht die gewachsene Krankenhausstruktur im Land. "Solch kleinteilige Planung aus der Ferne ist zum Scheitern verurteilt." Denkbar sei so eine Reform vielleicht, "wenn die Menschheit eines Tages einen Planeten neu besiedeln muss und vorab plant, wo ein Krankenhaus stehen soll". Die geplante Reform stelle den schon weit fortgeschrittenen Strukturwandel infrage.

Panikmache? Krankenhausgesellschaft wehrt sich gegen Vorwürfe von Lauterbach

Die Krankenhausgesellschaft setzt darauf, dass das Land die Planung und Umsetzung an sich zieht. Die Länder hätten nämlich "die unmittelbare Versorgungssituation der Bevölkerung zu beachten". Zugleich verwahrte er sich gegen Vorwürfe von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), die Krankenhausgesellschaft betreibe Panikmache. Man habe schlicht die Folgen der Vorschläge der Expertenkommission analysiert.

Gleichwohl sieht auch die baden-württembergische Krankenhausgesellschaft den Bedarf für eine Reform. Wichtig, sei, "einen Ausgleich zwischen Zentralisierung und flächendeckender Versorgung zu finden. Dass das Land und die Krankenhausträger bei dieser Aufgabe in der Vergangenheit schon sehr erfolgreich waren, zeige die Statistik: Mit 488 Betten auf 100.000 Einwohner wird die Versorgung der Bürger im Südwesten mit so wenigen Betten sichergestellt wie in keinem anderen Bundesland", erklärte Scheffold.

Kretschmann: Schließung kleinerer Kliniken unumgänglich

Zuletzt hatte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann erklärt, eine Schließung kleinerer Kliniken sei unumgänglich. hatte am Freitag betont, dass die meisten Menschen auf dem Land immer für den Erhalt ihrer Krankenhäuser seien, doch würden sie sich dann in größeren Kliniken operieren lassen. "Krankenhäuser zu erhalten, in denen sich Menschen nicht operieren lassen, macht keinen Sinn", hatte Kretschmann gesagt.

Die Debatte um die Schließung von kleineren Kliniken sei "immer schwierig und emotional aufgeladen". Aber Studien hätten ergeben, dass fast alle Bürgerinnen und Bürger, wenn es um die Schließung des örtlichen Krankenhauses gehe, dagegen unterschrieben. Wenn es ernst werde, ließen sie sich allerdings in größeren Kliniken behandeln. Der Grünen-Politiker räumte ein, vor Ort seien Schließungen schwer zu erklären: "Da beneide ich wirklich keinen Landrat darum."

Landkreise in Baden-Württemberg gegen Einschnitte bei Krankenhäusern

Die Landkreise sind strikt gegen massive Einschnitte bei den Krankenhäusern auf dem Land, wie sie eine Expertenkommission des Bundes vorgeschlagen hat. "Würden die Berliner Vorschläge zur Krankenhausreform eins zu eins umgesetzt, würde dies die Krankenhauslandschaft in Baden-Württemberg komplett umpflügen und eine beängstigend hohe Zahl von Kliniken hierzulande über kurz oder lang zum Aufgeben zwingen," sagte Landkreistagchef Joachim Walter am Montag. Auch er hält eine Reform für notwendig. "Allerdings ist es grundfalsch, dies alles in Berlin vom grünen Tisch aus vorgeben zu wollen".

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