Im Tarifstreit des öffentlichen Nahverkehrs in Baden-Württemberg lässt die Gewerkschaft ver.di ihre Mitglieder über unbefristete Streiks entscheiden. Die Urabstimmung beginne am 18. März und dauere vier Wochen, teilte die Gewerkschaft am Montag mit. Wenn 75 Prozent der Befragten zustimmten, seien auch unbefristete Streiks möglich.
Zuvor hatte die ver.di-Tarifkommission das überarbeitete Angebot der Arbeitgeber, das diese am Sonntag vorgelegt hatten, abgelehnt und das Scheitern der Verhandlungen erklärt. Die Gewerkschaft begründete den Schritt damit, dass die Arbeitgeber darauf bestanden hätten, "rund die Hälfte der Belegschaften von einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen auszuschließen".
Unter anderem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Werkstätten und Verwaltung sollten nach dem Willen der Arbeitgeber praktisch leer ausgehen, sagte ver.di-Verhandlungsführer Jan Bleckert. Damit provoziere die Arbeitgeberseite eine Spaltung der Belegschaft, so ver.di. Zudem hätten die Arbeitgeber die Verhandlungen nur noch mithilfe eines externen Moderators fortführen wollen - das lehnte die Gewerkschaft ebenfalls ab.
Vorerst keine Warnstreiks mehr
Für die kommenden Tage seien keine weiteren Warnstreiks geplant, hieß es. Bei einem verbesserten Angebot, das alle Beschäftigtengruppen berücksichtige, sei man grundsätzlich weiter verhandlungsbereit, betonte ver.di.
Der Kommunale Arbeitgeberverband Baden-Württemberg (KAV), der die Nahverkehrsbetriebe vertritt, reagierte mit Unverständnis. Bei der vierten Verhandlungsrunde am Sonntag habe man ein deutlich verbessertes Angebot vorgelegt und sei ver.di in vielen Forderungen entgegengekommen, hieß es vom KAV. "Wir haben uns damit schon über unsere Schmerzgrenze bewegt", argumentierte Hauptgeschäftsführerin Sylvana Donath.
Das am Sonntag vorgelegte KAV-Angebot sah demnach unter anderem für Personen, die variable Dienste leisten, eine Zulage von 250 Euro im Monat vor. Gerade die, deren Arbeitsbelastung besonders hoch sei, hätten davon profitiert, teilte der KAV mit. Außerdem habe man etwa Samstags- und Sonntagszuschläge für den Fahrdienst angeboten.
Dennoch sei kein ergebnisorientierter Austausch möglich gewesen, so Donath. Vielmehr sei die Gewerkschaft so gut wie überhaupt nicht von ihrer ursprünglichen Position abgerückt und beharre auf einem großen Forderungskatalog, dessen Gesamtumfang gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern nicht vermittelbar sei.
Verhandlungen in BW für 6.500 Beschäftigte in sieben Städten
ver.di verhandelt mit dem KAV seit Ende Januar über einen neuen Manteltarifvertrag für die rund 6.500 ÖPNV-Beschäftigten in Stuttgart, Karlsruhe, Heilbronn, Freiburg, Baden-Baden, Esslingen und Konstanz. Die Verhandlungen waren am Sonntag in Mannheim fortgesetzt worden.
Der Arbeitskampf hatte den ÖPNV in den sieben Städten bereits mehrmals weitgehend lahmgelegt. Bus- und Straßenbahnfahrer traten dort seit Anfang Februar bislang an drei Tagen zeitgleich in den Ausstand. Hinzu kamen einzelne Warnstreiks in verschiedenen Städten.
Arbeitgeber irritiert über Abbruch ver.di BW bricht Tarifverhandlung im ÖPNV ab - neue Warnstreiks möglich
Erst vorige Woche wurde im baden-württembergischen Nahverkehr gestreikt, dann kehrte man an den Verhandlungstisch zurück. Jetzt hat die Gewerkschaft die Tarifverhandlung vorzeitig beendet.
Arbeitgeber hält Forderungen für nicht finanzierbar
In fast allen Bundesländern laufen derzeit Verhandlungen über neue Manteltarifverträge bei den kommunalen Nahverkehrsbetrieben. Die Forderungen unterscheiden sich: In Baden-Württemberg tritt die Gewerkschaft für eine grundsätzliche Verkürzung der Wochenarbeitszeit sowie eine Schichtzulage im Fahrdienst ein. Darüber hinaus will ver.di erreichen, dass sich die Beschäftigten Verspätungen und bislang unbezahlte Wegzeiten vollständig als Arbeitszeit anrechnen lassen können.
KAV-Hauptgeschäftsführerin Sylvana Donath hatte die Forderungen als maßlos und nicht finanzierbar kritisiert. Zuletzt warf sie ver.di einen verantwortungslosen Umgang mit dem Streikrecht vor. Vergangene Woche war die Tarifrunde eskaliert: ver.di hatte die Gespräche zeitweise abgebrochen und warf der Arbeitgeberseite vor, ein schriftliches Angebot noch während der Verhandlungen an Presse und Belegschaft gegeben zu haben. Der KAV zeigte sich irritiert von den Vorwürfen.