Die baden-württembergische Landesregierung will eine Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten bei Großeinsätzen wie Fußballspielen und Demonstrationen einführen. Am Dienstag hat das grün-schwarze Landeskabinett einen entsprechenden Gesetzesentwurf des Innenministeriums verabschiedet.
Baden-Württemberg folgt mit der Kennzeichnungspflicht dem Vorbild anderer Bundesländer und setzt eine Vorgabe des Koalitionsvertrags von Grünen und CDU um. Mit dem Gesetz sollen Ermittlungen gegen Beamten und Beamtinnen wegen rechtswidrigen Verhaltens nach Großeinsätzen erleichtert werden.
Kretschmann: "Hat mit Misstrauen nichts zu tun"
Die Polizeigewerkschaften sind gegen die Kennzeichnungspflicht. Sie kritisieren den Gesetzesentwurf als "Misstrauensvotum" gegen die Polizei. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte am Dienstag, er könne diese Kritik nicht nachvollziehen: "Das hat mit Misstrauen überhaupt nichts zu tun. Sondern das dient einfach dazu, dass man in problematischen Fällen nachverfolgen kann, wer das war", sagte Kretschmann.
In der Regel verhalte sich die Polizei völlig korrekt, so Kretschmann. "Aber es gibt immer wieder Einzelfälle, wo das nicht der Fall ist". Die Kennzeichnungspflicht ermögliche es, diese Fälle nachzuverfolgen und darüber ein qualifiziertes Urteil zu fällen.
Kennzeichnung soll rechtswidrigem Verhalten vorbeugen
Die anonymisierte Kennzeichnung soll das Vertrauen zwischen Bürgerschaft und Polizei weiter stärken - so haben es Grüne und CDU in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten. Bei großen Einsätzen sollen Polizistinnen und Polizisten so künftig durch einen fünfstelligen Code auf der Uniform nachträglich identifiziert werden können. Wegen ihrer Ausrüstung wären sie sonst nicht erkennbar.
Die Kennzeichnung beuge rechtswidrigem Verhalten vor, heißt es in der Kabinettsvorlage, die dem SWR vorliegt. Außerdem sollen so Beamtinnen und Beamte, die sich korrekt verhalten haben, von Ermittlungen verschont bleiben.
Gewerkschaften lehnen Kennzeichnungspflicht ab
Insbesondere die Grünen hatten auf dieses Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag gedrungen. Die beiden großen Polizeigewerkschaften lehnen die Kennzeichnung ab. Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Baden-Württemberg, Ralf Kusterer, sagte dem SWR, die Kennzeichnung sei nicht notwendig. Die geplante Kennzeichnungspflicht wertet er als Misstrauensvotum gegen die Polizei. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei sei bereits jetzt sehr groß.
Dabei sei die Enttäuschung gegenüber der CDU besonders groß. Die habe die Kröte im Koalitionsvertrag nur geschluckt, um in der Regierung zu bleiben. "Bei den Grünen sind wir das gewohnt", so Kusterer.
Es habe bislang keinen Fall in Baden-Württemberg gegeben, bei dem ein Polizist nicht identifizierbar gewesen wäre, betonte Kusterer im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderatorin Petra Waldvogel und erklärte, warum er in der Kennzeichnungspflicht auch keine vertrauensbildende Maßnahme sehe:
Polizeigewerkschaft kritisiert Strobls Argumentation
Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) hatte die Pläne mit einer "Stärkung des großen Vertrauens der Bürgerschaft in die Polizei" begründet. Dieses Argument will der Polizeigewerkschafter nicht gelten lassen. "Die Bevölkerung hat höchstes Vertrauen in die Polizei", sagte er. "Wir brauchen keine Stärkung des Vertrauens." Kusterer verweist dabei auf mehrere Umfragen, wonach mehr als 80 Prozent der Bürger der Polizei vertrauten. Das sei ein viel höherer Wert als der beim Vertrauen gegenüber der Politik.
Gewerkschaft sieht keine sachliche Gründe für besondere Kennzeichnung
Auch von der Gewerkschaft der Polizei heißt es, es gebe keinen sachlichen Grund für die Einführung. Einsatzgruppen seien bereits gekennzeichnet, das sei ausreichend. Gruppen von sieben bis acht Polizistinnen und Polizisten werden bei Einsätzen mit den gleichen Ziffern und Buchstaben auf Rücken und Helm gekennzeichnet. Beide Gewerkschaften befürchten, dass Polizistinnen und Polizisten durch die individuelle Kennzeichnung selbst zum Ziel von Angriffen werden könnten.
Wann die Regelung in Kraft tritt, ist noch unklar. Betroffen sind laut Innenministerium aber nur 1.640 der mehr als 29.000 Beamtinnen und Beamten im Land.