Zwischen Karlsruhe und Bretten soll die Kraichgaubahn zweigleisig ausgebaut werden. Das Genehmigungsverfahren dauert Jahre - dafür werden auch Tiere entlang des Gleises gezählt.
"Das ist das Objekt der Begierde", freut sich Daniel Krümberg. Unter einer schwarzen Matte hat sich im Gras entlang des Bahngleises eine Schlingnatter versteckt. "Nicht so nah rangehen", warnt der Experte. "Die machen gerne mal Scheinattacken."
SWR-Reporter Markus Bender hat Daniel Krümberg beim Tiere-Zählen an der Bahnstrecke begleitet - und auch eine geschützte Schlingnatter filmen können:
Geschützte Schlangen bei Pfinztal neben den Gleisen
Giftig ist das Reptil zwar nicht, aber geschützt. "Man darf sie nicht töten und man darf ihre Lebensräume nicht zerstören", so Krümberg. Mit einer speziellen App auf seinem Handy dokumentiert der Landschaftsökologe den Fund für ein späteres Gutachten, das er im Auftrag der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) erstellen soll. Sie will den zweigleisigen Ausbau zwischen Karlsruhe und Bretten vorantreiben, um mehr Züge auf die Schiene zu bringen.
Es ist nicht der einzige Schlangenfund an diesem Spätnachmittag. Entlang des Bahngleises bei Pfinztal sind zahlreiche schwarze Matten als sogenannte Schlangenverstecke ausgelegt. Bei jeder stoppt Krümberg, hebt sie vorsichtig an und sucht den abgedeckten Quadratmeter ab - drei Schlangen wird er innerhalb einer halben Stunde dokumentieren: "Wir haben schon viele Schlingnattern in dem Gebiet gefunden. Dadurch wissen wir, dass hier eine gesunde Population lebt."
Gutachter: Tiere verhindern selten Bauvorhaben
Daniel Krümberg ist so etwas wie der Anwalt von Schlangen und Eidechsen. In seinem Gutachten soll er ihr Vorkommen aufzeigen und darlegen wie das Bauvorhaben artenschutzverträglich umgesetzt werden kann. "Selten passiert es, dass diese Funde ein Bauvorhaben verhindern", erklärt der Experte. "Unser Job ist, ein neutrales Gutachten zu schreiben. In der Regel geht es darum, nach Lösungen zu suchen". Die könnten zum Beispiel darin bestehen, dass Tiere umgesiedelt oder Ersatzhabitate geschaffen werden.
Für Krümberg ist die Untersuchung bei Pfinztal eines der komplexeren Verfahren. Denn neben Schlangen und Eidechsen wird er mit seinen Kollegen eine Vielzahl von Tieren erfassen. Darunter auch Heuschrecken, Wildbienen und Fledermäuse. Bei den Haselmaus-Niströhren wird Krümberg diesmal nicht fündig. Die hängen vereinzelt in den dichten Sträuchern entlang des Bahngleises. "Darin könnten sich die Haselmäuse ihre Schlafnester bauen - wenn es sie denn hier gibt", erklärt er.
Zwischen Ökologie und Ökonomie: Genehmigungsverfahren für Bauprojekte dauert lange
Ein Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte, wie der Ausbau der Bahnstrecke zwischen Karlsruhe und Bretten ist langwierig. Zahlreiche Gutachten müssen erstellt werden - so will es das Gesetz. Allein die Zählung der Tiere wird rund ein halbes Jahr dauern - ein Balanceakt zwischen Ökologie und Ökonomie. Bis das Gutachten fertig ist, vergehen weitere Wochen und es ist nur eines von vielen Umweltgutachten. Insgesamt rechnet die AVG nach eigenen Angaben dafür mit Kosten von rund 450.000 Euro. Bis Ende 2026 soll der Genehmigungsprozess abgeschlossen sein und - wenn alles nach Plan verläuft - die Bauarbeiten beginnen.
In der Regel freue sich der Auftraggeber, wenn man nichts findet - das Verfahren werde dann unkomplizierter. "Aber für das persönliche Erfolgserlebnis freut man sich über jede Art, die man findet", sagt Krümberg.
Ein bekanntes Beispiel in Bezug auf Artenvielfalt und Bauprojekte ist der Juchtenkäfer und Stuttgart21:
Tiere wurden umgesiedelt Artenvielfalt und Stuttgart 21: Wie geht es Zauneidechse und Juchtenkäfer?
Alles super beim Artenschutz zu Stuttgart 21? Laut der Deutschen Bahn funktionieren die Konzepte fantastisch. Der BUND hingegen meldet Zweifel an.
Pfinztal: Fledermäuse jagen entlang der Bahngleise
Das Wetter ist an diesem Nachmittag nicht optimal für die Tierzählung. Es ist bedeckt und gelegentlich fällt Regen. Eidechsen lassen sich deswegen am Übergang vom flachen ins hohe Gras nicht finden. Aber über einen anderen Umstand freut sich Krümberg: Die Bahnstrecke ist wegen Bauarbeiten für zwei Wochen gesperrt.
Dank der Sperrung kann Krümberg jetzt ermitteln, wie sich die Fledermäuse verhalten, wenn kein Zug fährt. In ein paar Wochen soll dann eine erneute Messung durchgeführt werden, wenn die Züge wieder rollen. "Damit können wir hochrechnen, wie sich das auf die Tiere auswirkt, wenn die Strecke zweigleisig befahren wird", sagt der Herpetologe.