Aus Protest gegen die Gesundheitspolitik und die Patientenversorgung in ihrer Branche wollen tausende Zahnärzte in Baden-Württemberg am Dienstag ihre Arbeit niederlegen. Unter anderem in Karlsruhe, Pforzheim, Baden-Baden sowie Heilbronn bleiben deswegen Praxen geschlossen. Zu dem Protest hat die Kassenzahnärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KZV BW) aufgerufen.
Fortbildungen und Protestaktionen
Zum Aktionstag unter dem Motto "Mund auf - Praxis zu!" können die Beschäftigten der Zahnarztpraxen laut der KZV BW an kostenlosen Fortbildungen teilnehmen. Außerdem sind demnach in verschiedenen Städten und Gemeinden Veranstaltungen geplant. So soll es in Karlsruhe etwa ein Treffen mit Politikerinnen und Politikern in der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung geben - in Pforzheim ein Gespräch in einer Praxis.
In Heilbronn versammeln sich die Zahnärztinnen und Zahnärzte aus dem Stadt- und Landkreis sowie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab 11 Uhr auf dem Kiliansplatz. Rund 200 bis 500 Personen sollen laut den Organisatoren dabei sein.
Parallel gibt es in Öhringen (Hohenlohekreis) einen Infostand auf dem Marktplatz. In beiden Städten sollen die Ärztinnen und Ärzte auf diesem Weg mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen und über ihre Situation informieren.
In Stuttgart hat man sich wegen der Fußball-Europameisterschaft bewusst gegen eine große Aktion oder Kundgebung entschieden, sagte der Sprecher der KZV BW, Holger Simon-Denoix. Es gebe aber Infostände und Gesprächsangebote in Esslingen, Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) und Bietigheim-Bissingen (Kreis Ludwigsburg).
1.800 Beschäftigte beteiligt Erneute Warnstreiks an den Unikliniken in Baden-Württemberg
Die Gewerkschaft ver.di hat zu weiteren Streiks an den Unikliniken aufgerufen. Die Notversorgung sei jedoch weiterhin gewährleistet.
Zahnärzte klagen über zu viel Bürokratie und zu wenig Geld
Die Kassenzahnärztliche Vereinigung Baden-Württemberg bemängelt als Vertreterin der Zahnarztpraxen unter anderem zu viel Bürokratie für die Praxen. Darüber hinaus fordert die KZV BW, digitale Anwendungen müssten vor ihrer Einführung ausreichend erprobt und praxistauglich sein.
Eine zentrale Forderung des Berufsverbandes ist zudem eine Abschaffung der sogenannten Budgetierung. Dabei wird das Geld, das Ärzte für die Behandlung von gesetzlich Versicherten bekommen, von den Kassen nach oben begrenzt. Zahnärztinnen und Zahnärzte kritisieren, sie hätten durch Budgetierung häufig noch vor Monatsende ihr Behandlungsbudget ausgeschöpft und könnten deshalb für weitere Patienten nicht mehr bezahlt werden.
Auf eine Anfrage des SWR schrieb die KZV BW: "Für die Praxen, die mit enorm steigenden Kosten konfrontiert sind, bedeutet dies nicht nur eine enorme wirtschaftliche Belastung. Damit ist auch eine erhebliche Planungsunsicherheit verbunden, denn niemand mit akutem Behandlungsbedarf wird mit Hinweis auf das bereits ausgeschöpfte Budget die Versorgung verweigert."
Landesministerium für Gesundheit verweist auf den Bund
Das Landesgesundheitsministerium in Stuttgart beobachtet die Themen Bürokratie und Budgetierung in Zahnarztpraxen im Land ebenfalls. In einer Antwort an den SWR teilte das Ministerium mit, Bürokratie und Budgetierung hielten die "heranrückende Zahnärztegeneration davon ab, in einer eigenen Praxis tätig zu sein". Der Trend gehe zu mehr Anstellung und Teilzeit. Das Landesgesundheitsministerium setze sich dafür ein, dass bestimmte zahnärztliche Leistungen wieder entbudgetiert werden.
Nachfolgend verweist das Ministerium darauf, Bürokratieaufwand, Budgetierung und Gebührenordnung seien Bereiche, die in die Bundesgesetzgebungskompetenz fallen. Jedoch setze sich das Landesgesundheitsministerium in länderübergreifenden Gremien wie der Gesundheitsministerkonferenz dafür ein, "dass entsprechende Beschlüsse an den Bund herangetragen werden, um diesen zum Handeln zu bewegen."
Gesundheitsminister Lucha zeigt Verständnis für Zahnärzte
Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) zeigte Verständnis für die Proteste der Zahnärzte. "Wir müssen ihnen die Ressourcen zur Verfügung stellen, die sie brauchen und nicht so sehr reglementieren und vorschreiben", so Lucha.