"Wir sind am Limit", so der Hilferuf der derzeit fünf Streetworker in Pforzheim, die sich gerade mal zweieinhalb Stellen teilen. In den vergangenen zwei Jahren sei die Zahl der zu betreuenden jungen Menschen in der Stadt deutlich angestiegen. Zur offenen Sprechstunde seien in diesem Jahr bereits 400 junge Leute gekommen, meist im Alter zwischen 15 und 20 Jahren, teilte Susanne Abt von der Streetwork Innenstadt mit. Sie befänden sich viel häufiger als früher in komplexen sozialen, psychischen oder finanziellen Notlagen. So lebe fast jeder Fünfte von ihnen in unstabilen Wohnverhältnissen.
Vermehrt Jugendliche in sozialen und psychischen Notlagen
Ein großes Problem seien zum Beispiel staatenlose Jugendliche, weiß Harald Stickel vom Stadtjugendring, neben "Plan B" einem der Träger der Streetwork in Pforzheim. Sie würden durch alle Raster fallen. Keine Papiere bedeute kein Zugang zu sozialen Leistungen. Das wiederum habe zur Folge, keine Arbeit und keine Wohnung zu finden. Ein Teufelskreis, der viele ausländerrechtliche Fragen aufwerfe, womit ein Streetworker aber komplett überfordert sei.
Kaum noch Zeit für Arbeit auf der Straße
Es seien die Verlierer der Pandemie, die er und seine Kolleginnen jetzt immer häufiger anträfen, so Bernd Schön. Der Sozialarbeiter ist schon seit 25 Jahren auf den Straßen Pforzheims unterwegs. Seit Corona seien viele Hilfsangebote weggebrochen. Er und seine Kollegen allein könnten das nicht auffangen, sagt der 57-Jährige. Gerade bei ausländerrechtlichen oder therapeutischen Spezialfragen, für die sie gar nicht ausgebildet seien, fühlten sie sich völlig überfordert.
Klage über wuchernde Bürokratie
Hinzu komme eine kaum mehr zu bewältigende Antragsflut wie beispielsweise bei Tagesjobs. Die müssen jährlich bei verschiedensten Stellen neu beantragt und bewilligt werden. Warum man hier nicht unbürokratischer verfahren könnte, bleibt den Streetworkern schleierhaft. Der überbordende Papierkram führe dazu, dass sie immer weniger dort sein könnten, wo sie eigentlich sein sollten: auf der Straße.
Leichtigkeit des Jobs geht verloren
Er liebe seinen Beruf noch immer, betont Bernd Schön. Kaum ein Job biete spannendere Einblicke in die Lebenswelten anderer Menschen. Aber: "Wenn man mehr und mehr das Gefühl bekommt, nichts mehr bewirken zu können, führt das zu Frust und einem Gefühl des Ausgebranntseins", meint er. Diese gewisse Leichtigkeit seiner Tätigkeit, der lockere und freundschaftliche Umgang mit den jungen Leuten auf der Straße, um ihnen Schwellenängste zu nehmen und niederschwellige Angebote machen zu können, drohe verloren zu gehen.
Die Sozialarbeiter fordern deshalb neben einer personellen Aufstockung vor allem eine effektivere und engere Zusammenarbeit mit den Fachbehörden. Es gelte gemeinsam zu überlegen: Wie gehen wir mit dem wachsenden Hilfebedarf in der Stadt um? Nur wenn hier alle Stellen Hand in Hand arbeiteten, könnten auch sie wieder besser ihrer Kernarbeit nachgehen - die Kontaktpflege zu den Kids auf der Straße.