Ab Freitagabend sollen die Fernverkehrszüge der Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Baden-Baden wieder rollen. Somit soll sich auch die Situation im Schienenersatzverkehr (SEV) entspannen. Wenige Tage davor merkte man davon in der Niederwaldstraße in Rastatt noch nichts:
Es ist Dienstagmittag, etwa 12 Uhr. Bisher ist es in der Niederwaldstraße in Rastatt noch ruhig. Doch das bleibt nicht lange so. Ein Zug kommt am Bahnhof an. In der Ferne sieht man eine Horde von Reisenden mit Koffern, die sich langsam nähern. In der schmalen Niederwaldstraße sind Busse aufgereiht. Die Menschen laufen wild verteilt über die Straße. Manche schlendern gemütlich. Manche beeilen sich, um die Busse des Schienenersatzverkehrs noch zu erwischen.
Bis zum 21. September gibt es immer noch Einschränkungen im Regionalverkehr. Welche das sind, können Sie hier nachlesen:
Regionalverkehr weiter betroffen Rheintalbahn: Ab Freitag fahren wieder Züge zwischen Karlsruhe und Baden-Baden
Aufatmen im Fernverkehr zwischen Karlsruhe und Baden-Baden: Auf der Strecke der Rheintalbahn fahren ab Freitag wieder Züge. Im Regionalverkehr gibt es noch Einschränkungen.
- Anwohnerin: SEV am Bahnhof Rastatt ist Katastrophe
- Mitarbeiter von Immobilienservice: Reisende schmeißen jeden Müll in Biotonne
- Morgens ist die ganze Niederwaldstraße voll mit Bussen
- Mehr Sichtbarkeit und andere Kundschaft
- Kritik an Bahn kommt auch aus dem Rathaus
Anwohnerin: Schienenersatzverkehr am Bahnhof Rastatt ist Katastrophe
Eine Situation, die Anwohner und Mitarbeiter der angrenzenden Unternehmen viel Nerven kostet. "Es ist eine Katastrophe", sagt eine Anwohnerin im Gespräch. "Wenn ich eine Note verteilen müsste, würde ich sagen, es ist eine glatte Fünf." Die Busse blockierten den Weg und die Passagiere müssten mitsamt dem Gepäck - teilweise auch mit Kindern und Kinderwagen - die komplette Niederwaldstraße langlaufen, um zum Schienenersatzverkehr zu kommen. Die Distanz liegt geschätzt zwischen 150 und 200 Metern.
Auch die Mitarbeiter des Immobilienservice direkt an der Haltestelle des Schienenersatzverkehrs haben wegen der vielen Busse und Menschen in der schmalen Straße zu kämpfen. "Die Busfahrer stellen sich teilweise komplett vor unsere Einfahrt", beschwert sich einer der Mitarbeiter. Das Team arbeitete häufig mit schweren Gartengeräten. Wegen der blockierten Einfahrt müssten sie oft bis zu 20 Minuten warten, bis sie diese ausladen könnten.
Mitarbeiter von Immobilienservice: Reisende schmeißen jeden Müll in Biotonne
Auch der Müll ist laut dem Mitarbeiter ein Problem. Denn der lande öfter mal in der Biomülltonne des Betriebes. "Die werden am nächsten Tag nicht abgeholt, weil die Leute ihren Plastikmüll, leere Flaschen, Chipstüten, alles hereinwerfen. Die achten gar nicht auf die Mülltrennung", ärgert sich der Mitarbeiter. Die Kosten der Sonderleerung zahlten dann das Unternehmen und Anwohner.
Dazu kommt das achtlose Geschlendere der Reisegäste. "Man muss den Leuten im Schritttempo hinterherfahren, weil sie einfach komplett gerade auf der Spur laufen und nicht den Gehweg benutzen", sagt der Mitarbeiter. Auch auf dem Privatgelände des Unternehmens stünden regelmäßig Reisende.
Ein Mal sei er nach einem Arbeitstag an einem Samstagabend in sein Auto gestiegen und wollte losfahren. Nachdem die Personen nach zehn Minuten immer noch kein Platz gemacht haben, musste er sie auffordern, zur Seite zu gehen, erzählt der Mitarbeiter. "Wir kommen hier kaum rein noch raus", heißt es in einem der anderen angrenzenden Unternehmen, wo es vor allem mit der Anlieferung Probleme gebe. "Aber es ist schon besser geworden."
Morgens ist die ganze Niederwaldstraße voll mit Bussen
Ein bisschen entspannter geht es in einer Arztpraxis in der Niederwaldstraße zu. Martina Riedinger arbeitet dort am Empfang. Ihre Patienten und Patientinnen haben sich bisher über die Situation nicht beschwert, erzählt sie. Vor dem Gebäude sei ein riesiger Parkplatz. Hier hätten die Patientinnen genügend Platz zum Parken.
Morgens sei es auf dem Weg zur Arbeit hingegen etwas gefährlich: "Man kommt um die Kurve gefahren und man fährt schon langsam, aber man hat sofort gleich nach der ersten Einfahrt ein Bus. Und dann wird es ziemlich eng. Und dann weiß man auch nicht, fährt er? Steht er? Bis man registriert, dass die ganze Straße voller Busse steht."
"Es wäre besser, man würde aus der Straße eine Einbahnstraße machen. Die Busse fahren aneinander vorbei und es funktioniert nicht", erzählt Michael Ermann, Mitarbeiter eines angrenzenden Küchengeschäfts. Er hat schon beobachtet, wie die Busse auf der Kreuzung der Niederwaldstraße mit der Bahnhofsstraße den Verkehr lahmgelegt haben.
Alle Busse des Schienenersatzverkehrs fahren über die Kreuzung, um zum Bahnhof zu kommen. Gerüchteweise habe es hier schon häufiger gekracht. Die Polizei kann das aber nicht bestätigen. Seit Anfang der Sperrung habe es in dem Bereich zwar mehr Verkehr, aber nicht signifikant mehr Unfälle gegeben.
Mehr Sichtbarkeit und andere Kundschaft
Aber nicht alle vor Ort ärgern sich über den Schienenersatzverkehr. "Die Sichtbarkeit unseres Studios wurde dadurch erhöht. Da die Busse jetzt einen anderen Weg fahren und auch vor unserem Laden an der roten Ampel länger verweilen müssen", schmunzelt Jörg Staffl, der Geschäftsführer eines Küchenstudios an der Kreuzung. Ansonsten merke er nur Veränderungen bei der Heimfahrt, denn jetzt müsse er den Weg über das Industriegebiet nehmen. Denn wegen der Bauarbeiten der Bahn in Vorbereitung der Erneuerung der Brücke 2026 ist die Einfahrt nach Rastatt an der B36 komplett gesperrt.
Direkt im Bahnhof habe es insgesamt nicht mehr Kunden gegeben, sondern lediglich andere, erzählt Heike Fleck von der Buchhandlung im Bahnhof Rastatt. Sie mussten im Geschäft häufig orientierungslosen Reisenden Auskunft geben. Die Sätze: "Tür raus, rechts die Straße hoch, da stehen die Busse" gehören für sie dabei schon zur Routine im Arbeitsalltag.
Kritik an Bahn kommt auch aus dem Rathaus
Nicht nur die Anwohner und Mitarbeiter rund um der Niederwaldstraße finden die Umsetzung der Bahn verbesserungswürdig. Kritik kommt auch aus dem Rastatter Rathaus. "Die Bahn als Bauherrin hatte uns im Vorfeld eine reibungslose Kommunikation und Organisation der benötigten Infrastruktur zugesichert. Das ist dem Unternehmen nicht immer gelungen", schreibt die Oberbürgermeisterin Monika Müller (SPD) in einem Statement.
Die Bahnmitarbeiter vor Ort seien allerdings sehr engagiert gewesen. "Nun wäre es natürlich wünschenswert, dass die Arbeiten auch alle im Zeitplan bleiben und die Bahn bald wieder rollt", so die Oberbürgermeisterin.
Vor Ort ist nur wenig von der Kommunikation der Deutschen Bahn angekommen. "Wissen Sie, wie lange der Schienenersatzverkehr noch geht?", ist die häufigste Frage, die von den Leuten vor Ort gestellt wird. Viele zweifeln daran, dass es wirklich ab heute entspannter wird oder die Bauarbeiten auch tatsächlich bald schon vorbei sind. Sie hoffen darauf, dass alles schnell ein Ende hat.
Auch wenn die Züge des Fernverkehrs ab Freitagabend (30. August 2024) wieder fahren, völlig verschwinden wird der Schienenersatzverkehr noch nicht. Im Regionalverkehr gibt es noch bis voraussichtlich zum 21. September Einschränkungen. In Rastatt wird es bis dahin auch weiterhin Ersatzbusse geben.