Was das Urteil bedeutet

Zum zweiten Mal verurteilt - Vater aus Karlsruhe entführte Kinder in den Libanon

Stand
Autor/in
Laura Bisch
Laura Bisch, Reporterin und Redakteurin im SWR Studio Karlsruhe

Im Fall der 2019 vom Vater aus Karlsruhe in den Libanon entführten Kinder ist der Vater vor dem Amtsgericht Karlsruhe ein zweites Mal verurteilt worden. Er bekam zwei Jahre auf Bewährung.

Die Kinder ins Ausland entführt und keine Aussicht auf eine Rückkehr: Dieses Schicksal ereilte eine Mutter aus Karlsruhe-Daxlanden 2019. Der Täter: ihr Ex-Mann und der Vater der Kinder. Er entführte die damals sechs und drei Jahre alten Söhne nach Beirut in den Libanon zu seiner dort lebenden Familie. 2022 fällt dann das Urteil für ihn: Vier Jahre Haft für die "Entziehung von Minderjährigen".

SWR-Reporterin Laura Bisch war beim Prozess dabei und erklärt, was das Urteil bedeutet:

Zwei Jahre auf Bewährung: Was bedeutet das?

Nun saß der Vater der Kinder erneut auf der Anklagebank: Vor dem Amtsgericht Karlsruhe ist er am Dienstag ein zweites Mal verurteilt worden - zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren ohne Bewährung gefordert. Die Verteidigung hatte auf einen Freispruch oder eine Freiheitsstrafe mit Bewährung plädiert.

Das Urteil hat zwei Ebenen. Die erste ist: Der Vater muss seine Haftstrafe vom ersten Prozess weiter verbüßen. 2022 gab es nämlich schon mal einen Prozess in dem Fall. Damals ging es um die Entführung der Kinder. Dafür hatte der Vater damals vier Jahre Haft bekommen - davon sind jetzt drei abgesessen.

Kinder noch immer im Libanon

Die zweite Ebene ist jetzt die aktuelle Strafe: Bei diesem zweiten Urteil bekam der Vater zwei Jahre auf Bewährung - aber nicht für die Entführung an sich, sondern für das Nichtzurückbringen der Kinder aus dem Libanon. Denn die Staatsanwaltschaft warf dem Vater in der Anklage vor, er habe die Kinder zurückholen können, es aber nicht getan.

Der Vater hingegen berief sich beim zweiten Prozess darauf, dass er die Kinder nicht zurückholen könne. Als Begründung nannte er die Familie in Beirut im Libanon. Besonders die Großmutter der Kinder verweigere die Rückgabe. Sie sieht diese demnach mittlerweile als ihre eigenen Kinder an. Nach Aussage des Vaters ist die einzige Möglichkeit, dass er die Familie im Libanon persönlich davon überzeugt, die Kinder herauszugeben, in dem er diese abholt.

Bewährungsauflage: Wie geht es jetzt weiter?

Die zwei Jahre auf Bewährung starten ab Januar 2026 - dann nämlich, wenn die Haftstrafe des ersten Urteils abgesessen ist. Ab dem Zeitpunkt gilt auch die Bewährungsauflage. Die besagt, dass er ab Entlassung sechs Monate lang Zeit hat, in den Libanon zu reisen, die Kinder abzuholen und zurück zur Mutter nach Karlsruhe zu bringen. Diese Frist läuft demnach im Juli 2026 aus.

Unklar ist zudem, ob der Vater - der im Libanon nach dem dortigen Recht das alleinige Sorgerecht für die Kinder hat - die Kinder wirklich nach Deutschland bringt, wenn er in den Libanon reist. Das gab das Gericht bei seiner Urteilsverkündung ebenfalls zu bedenken. Da habe man im deutschen Recht allerdings keine Handhabe.

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Mutter äußert sich vor Gericht

Kritisch steht dem auch die Mutter der Kinder gegenüber. Zu Beginn des Prozesses hatte sie sich vor Gericht geäußert. Im Zeugenstand gab die 33-Jährige an, sie befinde sich in psychologischer Behandlung. "Gut gehen kann es einer Mama nie", so die Mutter. Sie lebe den Alltag, aber sie "spüre das jeden Tag".

Egal, wenn ich was Schönes erlebe, ich kann das nicht so zeigen.

Sie habe die Kinder mehrfach im Libanon besucht, erklärte die Mutter. Doch die Kinder sprächen mittlerweile kaum noch Deutsch und verlören den Bezug zu ihr. Sie habe schon mehrere Monate nicht mehr mit den Söhnen telefonieren können - und dann auch immer nur wenige Minuten und auf Englisch.

Zwei Prozesse zur gleichen Tat - geht das?

Rein rechtlich lautete der Vorwurf der Staatsanwaltschaft auch beim zweiten Prozess gegen den Vater "Entziehung von Minderjährigen". Im deutschen Recht darf man allerdings nicht zweimal für dieselbe Tat verurteilt werden, ordnet Christopher Andresen aus der ARD-Rechtsredaktion ein. Denn in Deutschland gibt es das sogenannte "Verbot der Doppelbestrafung". Das steht so im Grundgesetz, in Artikel 103 Absatz 3.

Darum gilt es im konkreten Fall eine wesentliche Unterscheidung zu machen: Beim ersten Prozess 2022 wurde der Angeklagte wegen der damaligen Entführung seiner Kinder verurteilt. In der aktuellen Anklage warf die Staatsanwaltschaft dem Mann vor, die Kinder auch nach seiner Verurteilung nicht zur Mutter nach Karlsruhe-Daxlanden zurückgebracht zu haben - obwohl ihm dies möglich gewesen wäre.

Laut Christopher Andresen sind vom Straftatbestand der Entziehung von Minderjährigen beide Handlungen umfasst: die Entziehung des Kindes, um es ins Ausland zu bringen und das Vorenthalten des Kindes im Ausland, nachdem es dorthin gebracht worden ist.  

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