In welcher psychischen Verfassung war die Frau, die im Mai 2022 in der gemeinsamen Wohnung in Baden-Baden ihren Mann erstochen hat? Und muss sie wegen einer dauerhaften psychischen Erkrankung und einer damit verbundenen möglichen Gefährdung der Allgemeinheit in ein psychiatrisches Krankenhaus? Mit diesen Fragen muss sich seit Mittwoch die Strafkammer des Baden-Badener Landgerichts beschäftigen.
Erstes Urteil: Zehn Jahre Haft wegen Mordes
Das Landgericht Baden-Baden hatte die Frau in einem ersten Hauptverfahren im Dezember 2022 wegen Mordes zu einer 10-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Damals verhängte das Gericht diese bei Mord vergleichsweise kurze Haftstrafe, weil es davon ausging, dass die Frau zum Tatzeitpunkt wegen einer psychischen Erkrankung vermindert schuldfähig war. Die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung wurde jedoch nicht angeordnet.
Die Frau, aber auch die Staatsanwaltschaft, legten beim Bundesgerichtshof (BGH) Revision ein - und hatten damit in Teilen Erfolg: Der BGH hob das erste Urteil auf und verwies den Fall zurück ans Landgericht Baden-Baden, wo nun neu verhandelt werden muss.
"Innere Beweggründe" und Frage der Schuldfähigkeit
Das erste Urteil zum sogenannten "äußeren Tatgeschehen" selbst wurde vom BGH allerdings nicht aufgehoben. Die Tatsache, dass die Angeklagte die Tat begangen hat und ihren Ehemann von hinten mit einem Küchenmesser erstochen hat, wird nicht mehr neu verhandelt.
Im neuen Prozess geht es um die "inneren Beweggründe" der Frau bei der Tat: Im Zentrum steht die Frage, ob die Frau zum Tatzeitpunkt wegen ihrer Erkrankung vermindert schuldfähig oder gar schuldunfähig war.
Mordprozess Baden-Baden: Wie krank ist die Angeklagte wirklich?
Die Staatsanwaltschaft hatte genau deshalb erfolgreich Revision gegen das Urteil beim BGH eingelegt. Sie war damals der Ansicht, dass die Frau psychisch krank ist und von ihr deshalb auch in Zukunft eine erhebliche Gefahr für andere Personen ausgehe und hatte für eine Einweisung der Frau in die Psychiatrie plädiert.
Die Angeklagte war im Jahr 2021 schwer an Covid-19 erkrankt und musste intensivmedizinisch behandelt werden. In der Folge war sie zwar körperlich wieder gesund, entwickelte aber eine wahnhafte Angst, bald sterben zu müssen. Diese Angst könnte bei der Tat gegen ihren Ehemann eine Rolle gespielt haben.
Oberstaatsanwalt Michael Leber erklärte gegenüber dem SWR, dass der Ausgang des Verfahrens nun wesentlich davon abhängt, wie es heute - zwei Jahre nach der Tat - um die Erkrankung der Angeklagten bestellt ist.
Am Ende wird die Strafkammer des Landgerichts nicht nur zu entscheiden haben, ob die Frau in die Psychiatrie kommt, sondern sich auch mit der Frage neu befassen müssen, ob es tatsächlich Mord war, den die Frau an ihrem Ehemann begangen hat, so Michael Leber.
Angeklagte kommt in Handschellen ins Gericht
Im Gerichtssaal erscheint die Angeklagte zum Prozessauftakt mit Handschellen. Auf Antrag ihrer Verteidigerin werden ihr diese zu Verhandlungsbeginn abgenommen. Die gelernte Erzieherin blickt meist zu Boden, ihre rechte Hand zittert stark, als sie mit leiser brüchiger Stimme zu Protokoll gibt, im Prozess selbst keine Angaben zu ihrer Person und zum Tatgeschehen machen zu wollen.
Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Stattdessen beantragt ihre Verteidigerin, dass die Öffentlichkeit wegen des Gesundheitszustands ihrer Mandantin von der weiteren Verhandlung ausgeschlossen werden soll. Dem folgt das Gericht mit der Begründung, dass aus Rücksicht auf die Privatsphäre und die Erkrankung der Angeklagten bis zur Urteilsverkündung keine weiteren Details aus dem Leben der Angeklagten an die Öffentlichkeit gelangen sollen. Bis zum geplanten Urteilsspruch Anfang Juni sind zahlreiche Zeugen und ein Sachverständiger geladen.