Sie waren zum Teil erst 16, 17 Jahre alt, als deutsche Soldaten ihre Dörfer überfielen. Rund 500 männliche Bewohner sollten zunächst nach Dachau deportiert werden. Doch durch einen Zufall, die Zugstrecke war nach Kriegsschäden nicht mehr passierbar, blieben sie in Pforzheim hängen. Bis Kriegsende mussten die Verschleppten dort unter anderem in der Rüstungsindustrie schuften. Ihre Geschichte wird jetzt in einer Ausstellung in der Pforzheimer Stadtbibliothek gezeigt. Zusammengetragen hat sie die Vereinigung "Les Amis de Pforzheim", die Freunde Pforzheims.
Bei Bauern und in Privathaushalten wurden die Männer meist gut behandelt
Zu den ersten Besuchern gehört auch Christian Claudel. Er ist mit zahlreichen weiteren Gästen extra aus Frankreich nach Pforzheim zur Ausstellungseröffnung gekommen. Der 72-Jährige steht vor einer Schautafel mit den Köpfen und Biografien junger Männer aus der Vogesengemeinde La Bresse. Auf einem Bild erkennt er seinen Onkel: René Claudel, damals 16 Jahre alt. In Pforzheim wurde er als Hilfsarbeiter im Krankenhaus eingesetzt.
Schwerstarbeit und unzureichende Ernährung
Die Männer hätten Glück im Unglück gehabt, erzählt Claudel. Weil sie in Pforzheim nicht in die Hände der Nazis gerieten, sondern in die Obhut der Stadtverwaltung kamen. Etliche seien in Haushalten oder bei Bauernfamilien untergebracht worden, wo sie in der Regel gut behandelt wurden.
Wer hingegen weniger Glück hatte, musste in Schmuckunternehmen Schwerstarbeit leisten, die zu Munitionsfabriken umgerüstet worden waren, weiß Heimatforscher Gerhard Brändle. Er geht seit vielen Jahren den Schicksalen der Zwangsarbeiter in Pforzheim nach. Mit 10-Stunden-Schichten ohne Schutzkleidung mussten sie an schweren Maschinen arbeiten. Viele waren in Lagern untergebracht, wo sie schlecht ernährt und medizinisch überhaupt nicht versorgt wurden.
Helmut Krautmann aus Eisingen hat seine ganz eigenen Erinnerungen an jene Zeit. Als er sechs Jahre alt war - der Vater war im Krieg - wurden in der Schreinerwerkstatt seiner Eltern elf junge Franzosen einquartiert. Einige hätten bei Bauern in der Umgebung gearbeitet, andere für die Gemeinde als Waldarbeiter.
Die meisten Zwangsarbeiter aus den Vogesen kehrten nach dem Krieg in ihre zum Teil völlig zerstörten Dörfer zurück, berichtet Christian Claudel. Einige allerdings waren schwer krank. 28 von ihnen sollten ihre Heimat nicht mehr wiedersehen. Sie starben in Pforzheim beim Luftangriff am 23. Februar.
Kontakt auch nach dem Krieg
Auch das zeigt die Ausstellung in zahlreichen Fotos, Dokumenten und Zeitzeugenberichten: das Wunder der Versöhnung nach dem Krieg. Davon kann auch Helmut Krautmann berichten. Ab den 60er-Jahren, so erzählt er, habe man wieder den gegenseitigen Kontakt gesucht. Drei Jahrzehnte lang sei er regelmäßig mit der Familie nach Frankreich gefahren, um die einst bei ihnen einquartierten Zwangsarbeiter und ihre Familien zu besuchen. Umgekehrt kamen die Franzosen immer wieder zu Besuch nach Eisingen. Zahlreiche Fotos zeugen von entstandenen Freundschaften, die zum Teil bis heute bestehen.
Unzählige Stunden Forschungsarbeit, auch mit Unterstützung des Stadtarchivs Pforzheim, stecken in der Ausstellung in der Stadtbibliothek. Doch das sei immens wichtig gewesen, sagt Christian Claudel, vor allem für die Nachkommen der Zwangsarbeiter. Einige Familien hätten nie gewusst, wo ihre Angehörigen gestorben seien. Jetzt habe man die Nachweise finden können. "Das ist die beste Therapie", so Claudel, "um das Leid zu verarbeiten."
Die zweisprachige Ausstellung "Deportiert aus den Hochvogesen- französische Zwangsarbeiter in Pforzheim" in der Pforzheimer Stadtbibliothek ist zu sehen bis zum 25. Februar.