139 Paar orangefarbener Schuhe werden am Freitag in der Pforzheimer Stadtmitte stehen - ein Paar Schuhe für jede Frau, die im Jahr 2020 in Deutschland von ihren Partnern getötet wurde.
Mit solchen Aktionen soll am "Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen" ein Zeichen gegen geschlechterspezifische Diskriminirung gesetzt werden. Orangene Fahnen und Beleuchtungen an vielen Gebäuden in Baden-Württemberg sollen das Thema ebenfalls ins öffentliche Bewusstsein rücken, die Farbe geht zurück auf eine Kampagne der Vereinten Nationen. Auch Hilfsangebote sollen bekannter gemacht werden.
Hohe Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt
Jede dritte Frau in Deutschland ist nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens einmal im Leben von psychischer oder sexualisierter Gewalt betroffen. 143.000 Fälle von Partnerschaftsgewalt hat das Bundeskriminalamt 2021 registriert, 13.200 waren es laut Innenministerium in Baden-Württemberg. Die Zahlen sind leicht rückläufig, bundesweit sind es 2,5 Prozent weniger als im Vorjahr.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) wies allerdings auf eine hohe Dunkelziffer hin. Es sei davon auszugehen, dass zwei Drittel der weiblichen Opfer nicht zur Polizei gehen. Im SWR-Interview forderte sie mehr niedrischwellige Hilfsangebote für die zumeist weiblichen Betroffenen. Es handele sich um ein Alltagsphänomen in der Mitte unserer Gesellschaft, so Paus.
"Gewalt in der Familie ist keine Privatangelegenheit und auch kein Kavaliersdelikt", betont Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU). Das Thema müsse enttabuisiert und das Dunkelfeld aufgeklärt werden, so das Innenministerium. Die Landesregierung will daher eine wissenschaftliche Auswertung. Dabei soll unter anderem vorraussichtlich nächstes Jahr eine landesweite, repräsentative Umfrage helfen.
Aktionen und Demonstrationen in Baden-Württemberg
Gefahrensituationen einschätzen, sich wehren können und Hilfe holen - dabei geht es bei einem Selbstverteidigungskurs für Frauen und Mädchen, der im Rahmen einer Aktionswoche in Aalen geplant ist. Bei einer Podiumsdiskusion im Rathaus soll es um die Prävention von Gewalt gehen. Für Freitag Abend ist außerdem ein Schweigemarsch beginnend am Landratsamt geplant, bei dem auch "der mutigen Frauen im Iran oder in der Ukraine" gedacht werden soll.
In den Kreisen Ravensburg und Konstanz sind Lesungen, Ausstellungen, Online-Vorträge und Workshops geplant. Auch hier soll mit orangenen Fahnen und Plakaten (siehe Titelbild) auf Gewalt an Frauen aufmerksam gemacht werden.
Solidarität mit den Frauen im Iran soll eine Demonstration in Tübingen bekunden. Haarspangen, die dabei verteilt werden, tragen als Beschriftung den Ausruf "Frauen, Leben Freiheit", den Menschen im Iran bei ihren Protesten gegen das Regime rufen. Bei einem Vortrag im Rathaus steht sexualisierte Gewalt in Krisen- und Konfliktgebieten im Mittelpunkt.
Vor der Stiftskirche in Stuttgart informieren Fachleute aus evangelischer Kirche und Diakonie über Angebote gegen Gewalt, es gibt Mitmachaktionen und ein Mittagsgebet zu diesem Thema.
Partnerschaftsgewalt ist eine der häufigsten Straftaten in Deutschland. Was sich ändern muss, um Gewalt gegen Frauen effektiv zu verhindern, darum ging es in dieser Ausgabe von betrifft:...
Innenministerium weist auf Handzeichen als stillen Notruf hin
Mit dem Aktionstag soll auch das sogenannte "Signal for Help" bekannter gemacht werden, so das baden-württembergische Innenministerium. Das Handzeichen kann in der Öffentlichkeit als stiller Notruf eingesetzt werden, wenn jemand bedroht wird und ein Hilferuf nicht möglich ist. Auch in Baden-Württemberg habe die Polizei durch das Signal bereits Menschen aus Notlagen befreien können.
Der "Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen" wurde 1981 von Frauen- und Menschenrechtsorganisationen ins Leben gerufen. Am gleichen Tag beginnt seit 1991 auch die jährliche Kampagne "Orange the World!" der Vereinten Nationen, die bis zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember läuft und ebenfalls auf Gewalt aufmerksam machen will.