Angesichts von knappem Wohnraum und steigenden Preisen hat die Zahl der wohnungslosen Menschen in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr mit 76.500 einen neuen Höchststand erreicht, fast ein Drittel davon im Alter unter 18 Jahren. Land und Kommunen wollen daher auf das Konzept "Housing First" setzen, auf deutsch etwa "Erstmal Wohnen". Es geht davon aus, dass Wohnungslose als erstes eine stabile eigene Wohnung benötigen, ehe andere Probleme angegangen werden können.
Die Landesregierung will sechs "Housing First"-Modellprojekte bis 2026 mit insgesamt rund 1,6 Millionen Euro fördern. Davon kommen 500.000 Euro von der Stuttgarter Vector-Stiftung. Die sechs Projekte laufen in Heidelberg, Freiburg, Esslingen, Reutlingen, Herrenberg (Kreis Böblingen) und der Region Biberach-Schussental.
Konzept "Housing First" aus anderen Ländern bekannt
Das Konzept zielt darauf, wohnungslosen Menschen ohne Vorbedingungen unbefristete Mietverträge zu vermitteln. Sie erhalten bei der Suche nach einer eigenen Wohnung Unterstützung von speziellen Teams. Begleitend sollen sozialpädagogische Hilfen angeboten werden. So entstünden Vertrauen und Raum, an den Themen der betroffenen Menschen zu arbeiten, sagte Sozialminister Manfred Lucha (Grüne).
In Freiburg wird das Projekt "Hila - Housing First für Frauen" des Diakonischen Werks unterstützt, das speziell für wohnungslose Frauen mit Gewalterfahrung Hilfe anbietet. Lucha bezeichnete "Housing First" als hilfreichen Ansatz, der sich bereits in den USA, Österreich und Finnland bewährt habe. In Baden-Württemberg wird "Housing First" unter anderem bereits in Stuttgart, Heidelberg und Esslingen umgesetzt.
Wohlfahrtsverband fordert mehr Maßnahmen für sozialen Wohnungsbau
Der Paritätische Wohlfahrtsverband begrüßt zwar das Projekt, fordert von der Landesregierung aber gleichzeitig mehr Investitionen in den sozialen Wohnungsbau. Dem Bedarf von 260.000 Sozialwohnungen stünden nur 52.000 gegenüber, sagte Verbandsvorständin Uta-Micaela Dürig dem SWR.
Längst sind nicht nur große Städte wie Stuttgart oder Freiburg von mangelnden Sozialwohnungen betroffen, auch in kleineren Kommunen fehlt es an bezahlbarem und sozial gefördertem Wohnraum, für den auch wohnungslose Menschen infrage kämen.
Wenn sich dann doch mal eine Wohnung anbietet, haben es Obdachlose als Kandidaten schwer. Studierende, Alleinerziehende und Geringverdienende konkurrieren mit den Wohnungslosen um die wenigen günstigen Wohnungen.