Katz- und Mausspiel

Prostitution in Heilbronn: Trotz Razzien gefährliche Weiterentwicklung

Stand
Autor/in
Alice Robra

Das Heilbronner Ordnungsamt kämpft gegen die Ausbreitung der Straßenprostitution in Heilbronn. Die Behörde befürchtet neue Revierkämpfe unter Zuhältern und neuen Akteuren.

In Heilbronn muss weiterhin mit Gebietskämpfen wegen Straßenprostitution gerechnet werden, falls nicht konsequent gehandelt wird. Das sagte die Leiterin des Ordnungsamts, Solveig Horstmann, dem SWR. Dabei war es zuvor durch Allgemeinverfügungen und eine Razzia im Mai scheinbar ruhiger geworden im Milieu.

"Die Gruppierungen sind immer noch da [...]. Das ist nun mal ein Business, mit dem man sehr viel Geld machen kann."

Wenn nicht gehandelt werde, entstünden wieder gewalttätige Auseinandersetzungen wie im vergangenen Sommer. Dies habe sich jetzt auch wieder gezeigt - es sei ein Katz- und Mausspiel, so Horstmann.

Alice Robra fasst den aktuellen Stand zusammen:

Was bisher geschah

Im Sommer eskalierte die Gewalt zwischen zwei bulgarischen Gruppierungen, die den Straßenstrich auf der Hafenstraße unter sich aufgeteilt hatten. Die Stadt reagierte mit ihrer ersten Allgemeinverfügung und verbot die Straßenprostitution dort in diesem seit Jahrzehnten etablierten Gebiet. Sexarbeiterinnen wichen in die Wohnungsprostitution aus oder wechselten die Stadt.

Polizei und Staatsanwaltschaft führten am 4. Mai eine Razzia bei Verdächtigen durch - vier Personen wurden festgenommen. Der Verdacht: Zwangsprostitution, gefährliche Körperverletzung, ausbeuterische Zuhälterei und Kokainhandel. In Kürze sollen laut Staatsanwaltschaft die Anklagen erhoben werden.

Neue Akteure mischen mit

Trotzdem entwickelte sich im Bereich der Austraße, einem Gewerbegebiet im Norden Heilbronns, ein neues Gebiet. Zwei bis vier Frauen wurden dort immer wieder gesichtet. Horstmann gibt an, dass dies von einer der ursprünglichen Gruppierungen ausging. Die andere Gruppe sei dadurch von der Wohnungsprostitution auch wieder zurückgekommen.

"Daraus entstehen auch wieder Gebietskämpfe. Und wir erkennen ja auch schon wieder die Handlungsmuster."

Neben den bisherigen Gruppen soll außerdem noch eine dritte Gruppierung dort mitmischen, deren Gefahrenpotenzial noch nicht abzusehen sei, sagt Horstmann. Die Polizei bestätigt, von neuen Akteuren zu wissen.

Das Ordnungsamt reagierte Anfang Juni mit einer neuen Allgemeinverfügung und verbot nun auch rund um die Austraße Straßenprostitution. Die Polizei sieht laut einer schriftlichen Erklärung zurzeit kein Risiko für die Bevölkerung: "Der im Jahr 2022 stattgefundene Konflikt wurde durch die Präsenzmaßnahmen, die Verbotsverfügungen und die Inhaftierung der Beschuldigten bislang beendet."

"Weitere Erkenntnisse, dass es erneut zu 'Revierkämpfen' kommt und dadurch ein erhöhtes Risiko entstehen könnte, liegen derzeit nicht vor."

Parallel läuft die Anfrage beim Regierungspräsidium Stuttgart, Straßenprostitution generell zu verbieten. Solange kann die Stadt nur mit Allgemeinverfügungen vorgehen, sobald es genug Hinweise für eine Störung der öffentlichen Ordnung gibt.

Was bedeutet das für die Frauen in der Prostitution?

Viele Frauen seien durch das Vorgehen in andere Städte gewechselt oder böten sich nun auf Portalen an, sagt Kathrin Geih von der Mitternachtsmission in Heilbronn. Manche seien auch in ihr Heimatland zurückgekehrt.

Die Situation der Frauen sei komplex, macht Kathrin Geih klar. Seit fast zehn Jahren arbeitet sie als Sozialarbeiterin im Milieu und besucht die Frauen regelmäßig. Nicht jede Frau oder Person, die Sexarbeit in Heilbronn anbietet, tut das unter Zwang. Doch nicht nur Zuhälterei und Menschenhandel sind ein Problem für die Sexarbeiterinnen. Kathrin Geih von der Mitternachtsmission weist auf die strukturellen Probleme hin.

"Vielleicht ist sie eine Analphabetin oder hat nicht so viel Berufserfahrung."

Dazu kämen möglicherweise abhängige Familienmitglieder, die versorgt werden müssten. Sandra Dietz betreut vonseiten des Ordnungsamts Frauen in Prostitution und erläutert, dass beispielsweise Neuzugewanderte aus Bulgarien hier auch keinen Anspruch auf Sozialleistungen hätten - ein Ausstieg sei schwer.

So will die Stadt Heilbronn Sexarbeiterinnen helfen

Schwanger und was dann? Oder Geschlechtskrankheiten, die nicht behandelt werden - wer als Prostituierte keine Krankenversicherung hat, steht vor großen Problemen. Deshalb wird gerade vom Ordnungsamt ein ganzheitliches Konzept entwickelt, bei dem am Ende ein kostenloses Gesundheitsangebot der Schlüssel zum Erfolg sein soll. Dabei könnte ein Vertrauensverhältnis geschaffen werden, durch das auch Ausstiegsperspektiven eröffnet werden. Die Mitternachtsmission solle dafür mit mehr Geld von der Stadt gefördert werden, fordert Horstmann. Vorbilder sind Amalie in Mannheim und in Stuttgart das Café La Strada.

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